An Felix Magath war nichts mehr magisch. Mit gebückter Haltung saß der einst gefürchtete Schleifer auf dem Podium.
Sein mythenhaft beschworener Retter-Nimbus hat jetzt ein konkretes Verfallsdatum: Montag, 23. Mai am späten Abend, ausgerechnet in seinem geliebten Hamburger Volksparkstadion. Die Erklärungsversuche, wie das scheinbar Unvermeidbare – der siebte Bundesliga-Abstieg von Hertha BSC und der erste für Magath selbst – noch verhindert werden können, wirkten nur noch routiniert.
Neben Magath saß HSV-Trainer Tim Walter und sah mit massivem Rauschebart und dem für einen 46-Jährigen zu jugendlichen Basecap aus wie ein urbaner Waldschrat, der die Geheimformel für das Ende der Zweitliga-Leiden des Hamburger SV längst gefunden hat.
Die Berliner hoffen
«Wir gehen von unserem Spielstil nicht ab. Wir gehen unseren Weg so weiter. Wir wollen solche Spiele haben. Darum war es heute schön, aber am Montag wird es genauso schön», sagte Walter nach dem 1:0 im Relegationshinspiel im Berliner Olympiastadion. Glückliche Spieler und euphorisierte Fans feierten da schon so, als sei die Bundesliga-Rückkehr nach vier Jahren bereits geschafft. Vor einem Jahr ging auch Holstein Kiel mit einem 1:0-Sieg ins Rückspiel gegen den 1. FC Köln und erlebte daheim dann ein 1:5-Debakel gegen das FC-Team von Retter Friedhelm Funkel.
Und die Hertha? Im Stechschritt marschierte Magath mit dem von ihm nach Berlin beorderten Fitness-General Werner Leuthard am Freitagfrüh auf den Trainingsplatz. Energisch redete er auf die im Kreis postierten Spieler ein, ruderte mit den Armen. War da der Kämpfergeist in Magath wieder erwacht? «Es ist noch nicht vorbei. Es gibt noch ein Spiel», hatte Verteidiger Marc Oliver Kempf die Resthoffnung ausgedrückt.
Der sonst so präzise und verbal messerscharfe Magath hatte nach der Niederlage gegen seinen Herzensclub herumlaviert, den Auftritt relativiert und Pech beklagt. «Ich habe gesehen, dass das Spiel ausgeglichen war. Eine Aktion, in der der Gegner zum Tor gekommen ist, hat uns geschockt, hat uns getroffen», sagte Magath. «Der HSV war die glücklichere Mannschaft», meinte der 68-Jährige.
Hertha ohne Anführer
Die Wahrheit war: Der HSV war die mutigere und selbstbewusstere Mannschaft, sie machte den Eindruck, dass sie unbedingt aufsteigen will und wurde durch die Glücks-Flanke von Ludovit Reis mit dem Siegtor belohnt. Die Hertha spielte wie die ganze Saison schon: bemüht, mehr nicht. Und ohne einen Anführer, der das Team mitreißt.
Magath hat in Berlin in den vergangenen Wochen ein gefährliches Spiel betrieben und muss nun feststellen, dass er sich wohl verzockt hat. Als ganz Berlin wieder an die Rettung glaubte, setzte er auf einen merkwürdig anmutenden Zweckpessimismus. Zu viel schonungslose Realität verwunderte und verärgerte die Fans und verwirrte die ohnehin unter chronischer Orientierungslosigkeit leidende Mannschaft möglicherweise entscheidend.
Magath wollte wohl vorbauen, weil er durch seine große Erfahrung wusste, dass es noch schiefgehen kann. Es schien, als wolle der 68-Jährige den Abstiegsmakel herbeireden, damit dieser im schlimmsten Fall nicht an ihm selbst, dem Allwissenden, haften bleibt, sondern an der von ihm klein geredeten Mannschaft. Und dann ging tatsächlich alles schief.
Nur Stark in der Kurve
Was bleibt, sind erstmal nur Ausreden. Das Fehlen des gelbgesperrten Kämpfers Santiago Ascacibar sei fatal gewesen. Der Ersatz für den Argentinier war nicht adäquat. «Sie können Spieler nicht backen, die Spieler sind, wie sie sind», sagte Magath. Das passte zu der Distanz, die er in zwei Berliner Monaten zu seinen Akteuren gehalten hat.
Dass die meisten Hertha-Spieler nach dem Spiel nicht zu den treuen Fans in die Ostkurve gingen, «wundert mich ein bisschen», sagte Magath. Er selbst verschwand nach dem Schlusspfiff wie immer als Erster in den Katakomben.
Die Spieler betrieben am Freitag Schadensbegrenzung und bedankten sich bei den Fans für die starke Unterstützung. Es sei keine bewusste Entscheidung des Teams gewesen, sich nicht von allen Anhängern zu verabschieden. «Wir waren wie alle Hertha-Fans nach dem Spiel einfach sehr enttäuscht von uns selbst», hieß es in einer Botschaft von Kapitän Dedryck Boyata.
Die kürzlich in Berlin aufgeflammte «Ihr»-und-«wir»-Debatte, die zu einem von Magath als marginal bezeichneten Disput mit Führungsfigur Kevin-Prince Boateng geführt hat, ist ein weiteres Indiz dafür, dass der unnahbare Routinier sein Team im entscheidenden Moment vielleicht nicht mehr maximal motivieren kann. Der für das Binnenklima in der Kabine imminent wichtige Boateng stand seit der Kontroverse jedenfalls nicht mehr in der Startelf.
Einen Rückstand aufzuholen, gehörte auch nicht zu den Stärken der Berliner in dieser Saison. Magath beantwortete die Frage nach dem nun nötigen Offensivspiel mit spöttischem Unterton, diese feine Ironie beherrscht er schon immer. «Wir haben ja heute schon mal angefangen zu üben. Jetzt haben wir noch drei Tage Zeit weiter zu üben», sagte er. Mit viel Kommunikation will er die Weichen zum Wunder stellen. «Die Mannschaft braucht immer die Hilfe des Trainers. Man braucht jetzt kein Training, jetzt ist angesagt zu reden, um am Montag gut drauf zu sein», sagte Magath.