Auf seiner EM-Reise im emotionalen Ausnahmezustand erlebte das dänische Team schon vor dem Viertelfinale gegen Tschechien den nächsten Gänsehautmoment.
Hunderte Fans verabschiedeten ihre Lieblinge jubelnd mit zahllosen rot-weißen Luftballons und Fähnchen aus dem Teamquartier in Helsingör nach Baku. Seit dem Drama um Christian Eriksen werden Yussuf Poulsen & Co. von einer landesweiten Woge der Zuneigung durchs Turnier getragen. Als Dank luden die Spieler sogar 50 der treuesten Anhänger per Facetime-Anruf zur Partie am Samstag (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) ein – Ticket und Flug zahlt der Verband.
Dänen fühlen die Energie
«Wir machen das nicht für mich oder für uns selber, wir tun dies für Dänemark», sagte Trainer Kasper Hjulmand bei der Pressekonferenz mit Pathos über den nächsten EM-Auftritt. «Wir haben zwei Träume: Einmal, zu gewinnen, aber auch den Menschen Freude zu machen und Dänemark zu inspirieren. Wir fühlen die Energie von überall aus dem Land, von den Jungen und den Alten, wir machen dies alles zusammen. Wir sind dankbar für die Unterstützung.»
Eine wichtige Rolle für das Team habe dabei weiterhin Eriksen, der im ersten EM-Spiel nach seinem Kollaps beinahe gestorben wäre. «Wir werden mit Christian in unseren Gedanken spielen», betonte der Ex-Mainzer Hjulmand. «Er ist immer noch das Herz des Teams.»
Mindestens 1000 dänische Fans wollen ihr Team an das mehr als 3000 Kilometer Luftlinie entfernte Kaspische Meer begleiten. «Wir haben bisher mit dem Herzen gespielt und alles dafür getan, damit das Land stolz auf uns ist. Das war eine kleine Achterbahnfahrt», sagte Ex-Bayern-Profi Pierre-Emile Höjbjerg zur besonderen Verbindung bei dieser außergewöhnlichen EM.
Schick einer der EM-Stars
Bei den Tschechen scheiterten hingegen Pläne, Zuschauer mit einem Charterflug zum Spiel zu bringen, weil sich unter Corona-Bedingungen nicht genug Interessenten gefunden hatten. Wenn auch womöglich nicht auf der Stimmungsskala im Olympiastadion Aserbaidschans, so besitzt der leichte Außenseiter aber doch sportlich den stärksten Trumpf. Mit bislang vier Treffern gehört der Tscheche Patrik Schick zu den Überraschungsstars dieses Turniers. «Wir haben die Niederlande geschlagen, warum sollen wir nicht auch Dänemark bezwingen?», sagte der 25-Jährige selbstbewusst.
Der Angreifer von Bayer Leverkusen besitzt gute Chancen, nach Milan Baros 2004 der zweite EM-Torschützenkönig Tschechiens zu werden und damit sein Team endgültig aus dem Schatten früherer großer Generation zu holen. «Hut ab vor seiner Leistung, er ist sich auch für harte Arbeit nicht zu schade, und der eiskalte Abschluss liegt ihm im Blut», lobte Ex-Bundesligastar Jan Koller im «Kicker». Und Dänemarks Coach Hjulmand schwärmte auch vor dem Aufeinandertreffen: «Ich denke, er ist einer der talentiertesten und vielversprechendsten Stürmer in Europa. Das zeigt er jetzt bei dieser EM.»
Ebenfalls in starker Verfassung mit bislang zwei Toren präsentierte sich Poulsen, der allerdings beim lockeren 4:0 der Skandinavier über Wales im Achtelfinale angeschlagen pausieren musste. Auch wenn sein Ersatz Kasper Dolberg dabei gleich doppelt traf, drängt der 27-Jährige zurück in die Startelf. «Ich glaube nicht, dass ich 90 Minuten spielen kann, aber ich werde 60 Minuten spielen können wie gegen Belgien und Russland», sagte Poulsen. Am Freitag bestätigte Coach Hjulmand, dass der 27-Jährige voll im Training sei, über einen Einsatz aber erst am Spieltag entschieden werden solle.
Poulsen kennt Schick gut
In der Saison 2019/20 liefen Poulsen und Schick noch gemeinsam bei RB Leipzig auf. «Er ist gut und wir haben die Spielzeit zwischen uns geteilt – das sagt etwas aus, dass unser Trainer selbst nicht wusste, wer der beste von uns beiden war», erinnerte Poulsen augenzwinkernd vor dem Wiedersehen.
Statistisch lag allerdings Schick mit zehn zu fünf Treffern in der gemeinsamen Zeit bei den Sachsen vorne. Und auch sonst spricht zumindest der Blick in die Vergangenheit für die Tschechen: Von 25 Partien gewann Dänemark nur zwei. «Eine meiner schlimmsten Erinnerungen als Fan der Nationalmannschaft war 2004, als ich die Tschechen im Viertelfinale der EM gegen Dänemark gewinnen sah», sagte der Ex-Düsseldorfer Mathias «Zanka» Jörgensen über das bislang größte Duell.
Nun beschwört ganz Fußball-Dänemark die gemeinsame emotionale Stärke für den größten Erfolg seit dem EM-Titel 1992, den das Team auch für seinen besten Spieler feiern will. «Sein Platz ist immer noch da und wir vermissen ihn jeden Tag», sagte Höjbjerg über Eriksen, der nach seinem Zusammenbruch immer wieder mit der Mannschaft in Kontakt steht. «Wir tun dies hier für ihn und er bedeutet uns sehr viel.»
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
TSCHECHIEN: 1 Vaclik – 5 Coufal, 3 Celustka, 6 Kalas, 2 Kaderabek – 9 Holes, 15 Soucek – 12 Masopust, 8 Darida, 13 Sevcik – 10 Schick
DÄNEMARK: 1 Schmeichel – 6 Christensen, 4 Kjaer, 3 Vestergaard – 17 Stryger Larsen, 8 Delaney, 23 Höjbjerg, 5 Maehle – 14 Damsgaard, 20 Poulsen, 9 Braithwaite
Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)