Trifft im Europa-League-Halbfinale auf seinen einstigen Spieler Xabi Alonso: José Mourinho. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alfredo Falcone/Zuma Press/dpa)

Vor etwa einem Jahrzehnt ernannte José Mourinho Xabi Alonso zu seinem «Metronom». Der Mittelfeld-Stratege war für den Trainer von Real Madrid damals also wie das Gerät, das Musikern durch ständige Impulse hilft, das Tempo zu halten. Einen besseren Vergleich hat selten ein Trainer über einen seiner Spieler gewählt.

Und er zeigte: Der heutige Trainer von Bayer Leverkusen war in den drei gemeinsamen Jahren bei Real Mourinhos Medium in die Mannschaft. Sein verlängerter Arm, sein wichtigster Spieler und enger Ansprechpartner. Und er prophezeite ihm schon damals eine große Zukunft als Trainer. Denn Alonso, so Mourinho damals, wirke «schon auf dem Feld wie ein Trainer».

Nun führt Alonsos zweite Karriere die beiden erstaunlich schnell, nämlich gleich in dessen erstem Jahr als Erstliga-Trainer, in einem Europa-League-Halbfinale zusammen. Alonso sprach darüber in den Tagen vor dem Hinspiel mit Bayer bei Mourinhos AS Rom am Donnerstag (21 Uhr/RTL) nicht gerne. Nicht, weil er Mourinho nicht ebenfalls sehr schätzen würde. Ganz im Gegenteil. Doch dem früheren Welt- und Europameister ist es nicht recht, wenn Bayers erstes Europacup-Halbfinale seit 21 Jahren auf dieses Duell reduziert wird. 

Auf die meisten Fragen nach dem Wiedersehen mit seinem fast 20 älteren Ex-Lehrmeister wich der 41-Jährige zuletzt fast immer aus. Auf der Pressekonferenz rund 26 Stunden vor dem Spiel drückte er aber dann doch seine Verehrung aus. «Ich habe von all meinen Trainern viel gelernt», sagte er: «Von Mou habe ich gelernt, ein Leader zu sein, eine Mannschaft zu überzeugen, für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen. Darin ist José sehr, sehr gut. Seine Beziehung mit den Fans in Rom ist sehr speziell. Und dieses Gefühl hatte ich auch in Madrid.» Deshalb sei es «natürlich besonders, gegen ihn zu spielen».

«Xabi ist ein Freund von mir»

Mourinho zeigte sich da schon etwas redseliger. «Xabi ist ein Freund von mir», sagte der streitbare Coach zu RTL und ergänzte lachend: «Und das ist durchaus besonders. Denn nicht jeden Spieler, den ich mal gecoacht habe, kann ich heute einen Freund nennen.» Doch Alonso hat er laut spanischen Medien zwei Dinge nie vergessen. Dass er in der meist von Mourinho provozierten Dauer-Fehde gegen den damaligen Barcelona-Trainer Pep Guardiola eng an seiner Seite stand und diese Rivalität heiß und innig mitlebte. Und dass er als einer der letzten intern wie extern zu ihm stand, als sich 2013 schon fast alle bei Real von ihm abgewandt hatten. 

«Nach fünf Minuten unseres ersten Treffens wusste ich, warum er so gut ist und warum er so viel Erfolg hat», schwärmte Alonso später über «The Special One». Mourinho sei «zu 100 Prozent Wettkämpfer. Was er will, ist gewinnen.» Er habe in Madrid «die Spieler, den Verein und die Fans aufgerüttelt. Er hat es geschafft, Dinge zu verändern».

Doch Alonsos Wechsel 2014 zu den Bayern wird Mourinho im ersten Moment überrascht haben. Schließlich trainierte dort inzwischen sein Erzrivale Guardiola. Und den nannte Alonso auch noch als Grund für seinen Schritt. Doch Rivalitäten waren für ihn immer nur sportlicher Natur. Und er wollte von den Besten lernen: «Ich war so neugierig darauf, seine Geheimnisse herauszufinden.»

Rock’n’Roll bei Real, Jazz beim FCB

Vom fußballerischen Ansatz seien Guardiola und Mourinho sehr unterschiedlich, stellte er später fest. Auch hätten sie unterschiedliche Persönlichkeiten. «Aber beide haben dieses Charisma. Wenn sie in einen Raum kommen, wissen alle sofort: Der Boss ist da. Und beide sind sehr detailversessen.»

Alonso hat sich für seine Trainer-Karriere sicher von allen etwas abgeschaut. Der Fußball unter Mourinho bei Real sei eher Rock’n’Roll gewesen, erklärte er. Der beim FC Bayern unter Guardiola eher Jazz. Welche Musikrichtung Bayer unter Alonso verkörpert, ist noch schwer zu sagen. Klar ist: Er hat dem Team die Wildheit ausgetrieben und sie durch Pragmatismus ersetzt. «Emotionale Kontrolle» nennt er das gerne.

Doch er liebt den Fußball sehr, er hasst Ungerechtigkeiten und mangelnde Perfektion. Deshalb fällt es ihm manchmal selbst schwer, die emotionale Kontrolle zu behalten. Obwohl er Bayer erst im Oktober übernahm, droht ihm sowohl in der Liga als auch in der Europa League bei der nächsten Gelben Karte eine Sperre. «Xabi kann in der Coaching-Zone auch sehr emotional sein», sagte Sportchef Simon Rolfes. Dass in dem eigentlich so beherrschten Gentleman Alonso auch solch ein Hitzkopf steckt, lässt den emotionalen Mourinho sich ihm sicher noch ein bisschen näher fühlen.

Holger Schmidt, dpa
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