Suche nach Antworten nach dem WM-Aus: Alexandra Popp. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Für Gedanken an ihre sportliche Zukunft fehlte Alexandra Popp einfach die Kraft. Nach einer ziemlich schlaflosen Nacht in Brisbane steckten die DFB-Kapitänin und das vom WM-Debakel geschockte Nationalteam tief in der Krisenbewältigung.

«Jeder benötigt die Zeit, um mit sich klarzukommen», sagte Popp, bevor es ans Aufräumen ins WM-Quartier in Wyong ging. Weil wohl niemand mit dem Vorrunden-Aus gerechnet hatte, konnten nur mit Mühe Heimreisetickets für den 70-köpfigen DFB-Tross in mehreren Fliegern für den Samstag gebucht werden. 

Für die Tage nach der Rückkehr kündigte die Spitze des Deutschen Fußball-Bunds eine Tiefenanalyse des Scheiterns an, bei der es auch um die Rolle von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gehen soll. «Noch lange schmerzen» werde sie das vorzeitige Ende der WM-Reise, schrieb die 55-Jährige am Tag nach dem Aus bei Instagram. Einiges deutet darauf hin, dass sie ihre Auswahl im September in die Nations League und die damit verbundene Olympia-Qualifikation für Paris 2024 führen wird. «Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel erreicht und angeschoben und darauf wollen wir trotz dieses Rückschlags weiter aufbauen», ließ Voss-Tecklenburg mit einem Tag Abstand wissen.

Neuendorf stärkt Voss-Tecklenburg

DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach der Bundestrainerin bereits das Vertrauen aus. Er könne klar sagen, «wir haben den Vertrag mit ihr erst vor wenigen Monaten verlängert nach dieser überaus erfolgreichen Europameisterschaft im vergangenen Jahr und haben ihr das Vertrauen ausgesprochen, das sie nach wie vor auch genießt», sagte Neuendorf im ZDF. Der DFB-Boss erklärte weiter: «Zur Erreichung langfristiger Ziele gehören aber auch Rückschläge dazu.» Das Achtelfinale sei fest eingeplant gewesen, Neuendorf selbst wollte dann nach Australien reisen.

Joti Chatzialexiou, der schon vom Scheitern der Männer bei der Katar-WM und der U21 bei der Europameisterschaft gebeutelte Leiter Nationalmannschaften, wollte sich in Brisbane nicht konkret zur Zukunft Voss-Tecklenburgs äußern. Die Trainerin hat noch einen Vertrag bis zur EM 2025 in der Schweiz. «Selbstkritisch» sollen die WM-Geschehnisse besprochen und dann über die «zukünftige Ausrichtung» entschieden werden, floskelte Chatzialexiou.

Auch Torjägerin Popp, mit vier Treffern in drei Spielen noch eine der Besseren, bat immer wieder um Zeit für die Aufarbeitung. «Nicht jede Spielerin kann von gestern auf heute schon sagen, mir gehts wieder gut», sagte die 32-Jährige vom VfL Wolfsburg. «Sehr weit entfernt» sei für sie selbst die Frage nach weiteren Einsätzen im Nationalteam. Schon nach der EM im Vorjahr, die mit dem Finaleinzug Auslöser eines kleinen Hypes geworden war, hatte Popp ihre sportliche Zukunft beim DFB lange offen gelassen.

Popp hofft auch Fans

Nun hofft die Spielführerin, dass die deutschen Fans das Interesse am Frauenfußball nicht wieder verlieren. «Dafür war die Entwicklung in dem ganzen Jahr so schön anzusehen, so immens und so extrem wichtig für den Sport, dass ich hoffe, dass es dabei bleibt», sagte Popp. 8,06 Millionen Zuschauer verfolgten live im ZDF das 1:1 gegen Südkorea, es war mit Abstand die meistgesehene Sendung des Tages.

Statt des angepeilten WM-Titels und eines satten Zahltags muss sich das DFB-Team nun mit einer Prämie von 30.000 US-Dollar (rund 27.000 Euro) pro Spielerin begnügen. Der dritte WM-Triumph nach 2003 und 2007 war nicht mal in greifbarer Nähe. Wie zum Hohn lief am Morgen danach in Brisbane die Wiederholung des Frustspiels gegen Südkorea auf den Fernsehern in der Hotellobby. Schnell flüchteten die deutschen Spielerinnen zum Spaziergang aus ihrer Herberge.

«Ich glaube, wir haben eine große Chance für die nächste Generation verpasst», sagte DFB-Spitzenfunktionär Chatzialexiou. «Das ist auch ein Rückschlag für den Frauenfußball, weil wir tatsächlich uns viel mehr vorgenommen haben. Wir wollten eigentlich um den Titel spielen», sagte Chatzialexiou. Kein Trost: Auch Olympiasieger Kanada und Südamerika-Meister Brasilien sind nach der Vorrunde raus aus dem Turnier. 

Das frühe Scheitern hat für die deutschen Fußballerinnen – im Gegensatz zum Viertelfinal-Aus bei der WM 2019 – zumindest mit Blick auf Olympia 2024 keine Konsequenzen. Bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland wurden dieses Mal keine Tickets für Paris vergeben. Die europäischen Teams können sich die für sie vorgesehenen zwei Plätze nur über die UEFA Nations League sichern. Deutschland wurden in der Gruppe 3 der Liga A die Gegner Dänemark, Island und Wales zugelost. Zunächst geht es am 22. September nach Dänemark, vier Tage später steht in Bochum das Heimspiel gegen Island an.

Von Ulrike John, dpa
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