Für Alarmstimmung sieht Joachim Löw nach dem Fehlstart in seine Abschiedstour keinen Anlass. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christian Charisius/dpa)

Auf der nächtlichen Rückfahrt mit Polizeieskorte in den «Home Ground» von Herzogenaurach konnte Joachim Löw kurz vor dem Morgengrauen seine Gedanken nochmal sortieren.

Die schmerzhafte, weil unnötige Niederlage im «Zweikampf der Titanen» gegen Weltmeister Frankreich wurmte den Bundestrainer natürlich. Für Alarmstimmung schon zu Turnierbeginn sah der 61-Jährige nach dem Fehlstart in seine Abschiedstour mit der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft aber gar keinen Anlass.

Niederlage erhöht Druck auf Spieler

«Wir haben verloren, okay, wir sind sicher enttäuscht. Aber noch ist nichts passiert. In den zwei Spielen können wir alles geradebiegen», sagte der ziemlich sachlich wirkende Bundestrainer nach dem 0:1 (0:1) am Dienstagabend in München durch das ärgerliche Eigentor von Mats Hummels. Der enge Turnierzeitplan lässt keine Alternative. Der Blick geht gleich voraus auf die nächste schwere Aufgabe gegen Cristiano Ronaldos siegreiche Portugiesen am Samstag (18.00 Uhr).

«Wenn du das erste Spiel verlierst und drei Gruppenspiele hast, ist der Druck groß. Da muss man nicht drüber reden», konstatierte ein sichtlich enttäuschter Toni Kroos. Durch die eigene Niederlage und das 3:0 der Portugiesen in Ungarn ist klar: Noch eine Niederlage und das Worst-Case-Szenario eines erneuten Vorrundenscheiterns wie bei der Debakel-WM 2018 würde vor dem Gruppenfinale gegen Ungarn zur bedenklichen Drohkulisse. Das Rechnen für Platz drei, der für das Achtelfinale reichen könnte, will man sich sicherlich ersparen.

Löw: «Blick nach vorne richten»

Da nützt es Löw auch nichts, dass im Gegensatz zum 0:1-Start vor drei Jahren in Russland gegen Mexiko diesmal Einstellung und Leistung stimmten. «Morgen müssen wir schon noch mal einige Dinge aufarbeiten. Aber dann den Blick nach vorne richten», beschrieb Löw seinen Plan für den Mittwoch im Teamquartier. Der Tag soll unter dem Motto Regenerieren und Rekapitulieren stehen.

Dann will Löw das Thema Durchschlagskraft ganz oben auf die Agenda setzen. «Wir brauchen gegen Portugal das eine oder andere Tor», sagte er. Die Forderung nach Effektivität in der Offensive ist ein Dauerthema. Wie das im Schnellverfahren gelingen soll? «Da kann man schon noch das eine oder andere angehen. Das muss man auch machen», sagte Löw. Am Donnerstag und Freitag wolle er «den Hebel ansetzen».

An der taktischen Grundausrichtung mit Dreierkette, der spielstarken Zentrale mit Kroos und Ilkay Gündogan und der viel diskutierten Rolle von Joshua Kimmich als offensivem Rechtsverteidiger ließ Löw trotz der ersten Startpleite bei einer Europameisterschaft in der DFB-Historie zunächst keine Zweifel aufkommen.

Deschamps: «Zweikampf der Titanen»

«Wir haben schon viel Druck gemacht. Das war schon okay. Wir müssen vielleicht mit den Laufwegen noch besser werden», befand der Bundestrainer. Gegen Portugal könnte Leon Goretzka nach seiner Muskelverletzung wieder eine Alternative sein. «Ich denke, er wird eine gute Option sein im Laufe des Spiels», sagte Löw.

In den deutschen Grundtenor, dass die Niederlage nur der Stärke des Gegners und nicht eigenen Unzulänglichkeiten geschuldet war, passten die Kommentare der Franzosen. Trainer Didier Deschamps sprach von einem «Zweikampf der Titanen». Und sein Mittelfeldspieler Paul Pogba fand: «Sie haben uns viel Ärger gemacht heute.» Löws Problem: Der eigene Ärger war letztlich größer.

Folge uns

Von