Der viel kritisierte Louis van Gaal hat mit den Niederlanden den Einzug in das Viertelfinale der Fußball-WM bejubelt und die zarten Titelhoffnungen von Oranje vergrößert.
Nach einer über weite Strecken abgeklärten Leistung musste die Elftal beim 3:1 (2:0) gegen eine leidenschaftlich kämpfende US-Auswahl am Ende nur kurz um das Weiterkommen bangen. Zwölf Jahre nach dem letzten Weltmeisterschafts-Endspiel beim Turnier in Südafrika hofft Holland auf eine Final-Teilnahme am 18. Dezember – doch Wackler wie in der zweiten Hälfte gegen die USA darf sich das Ensemble von van Gaal dann nicht erlauben. Gegner im Viertelfinale am Freitag sind entweder Lionel Messi und Argentinien oder Australien.
Im ersten und nicht sonderlich stimmungsvollen Achtelfinale im Chalifa International Stadion erfreute sich van Gaal auf seiner Trainerbank an den zum Teil sehr sehenswert heraus gespielten Treffern – und daran, es den Kritikern seines Spielstils gezeigt zu haben. Die Schwächephase nach der Pause dürfte ihn aber geärgert haben.
Memphis Depay (10. Minute), Daley Blind (45.+1) und der herausragende Denzel Dumfries (81.) dokumentierten mit ihren Toren vor 44.846 Fans den Unterschied zwischen einem echten Titelkandidaten und einer talentierten, aber noch nicht reifen Nationalmannschaft. Die junge US-Auswahl um Torschütze Haji Wright (76.) zeigte dann aber, welche Mentalität in ihr steckt – und kam beeindruckend in das Spiel zurück. Sie weckte damit in der Heimat bei starken Einschaltquoten Vorfreude auf die WM in vier Jahren, bei der sie gemeinsam mit Mexiko und Kanada Gastgeber ist.
Die US-Amerikaner um den rechtzeitig genesenen Star Christian Pulisic boten zwar eine engagierte Leistung, konnten sich nach dem Wirkungstreffer zum 0:1 trotz einiger guter Vorstöße und Möglichkeiten aber erst in der Schlussphase entscheidend in Szene setzen. Mit einer Effektivität der Niederländer, die seit van Gaals Amtsantritt im September 2021 ungeschlagen sind, wäre mehr drin gewesen.
Im Gegensatz zu seinem US-Trainerkollegen Gregg Berhalter, der lautstark und gestenreich immerzu von der Seitenlinie aus antrieb, hockte Routinier van Gaal fast über die gesamte Spielzeit auf seiner Bank. Der 71-Jährige freute sich als WM-Oldie unter den 32 Trainern, dass Depay nach einer Passfolge über 20 Stationen mit seinem ersten Turniertor das Spiel zwischen zwei in der Gruppenphase ungeschlagenen Teams in die von ihm gewünschte Richtung lenkte.
Ausgerechnet Depay, für den Prinzipien-Trainer van Gaal eine nach eigenen Worten einzigartige Ausnahme machte. Der Stürmer des FC Barcelona, der zwei Monate wegen Oberschenkelproblemen ausgefallen war, durfte trotzdem in den Kader.
Perfekt in die Strategie von van Gaal passte, dass sein erfahrenster Mann auf 2:0 erhöhte und damit das Spiel früh entschied. Blind, der seit Ende 2019 mit einem Herzschrittmacher spielt, feierte sein erst drittes Tor im 98. Länderspiel in den Armem von Wout Weghorst. Nach der anschließenden Jubeltraube gleich vor van Gaal gab es noch eine besonders herzliche Umarmung mit Vater und Trainer Danny. Ein besonderer Dank der Torschützen galt Dumfries, der die beiden Treffer vorbereitet hatte.
Pulisic, der beim gefeierten 1:0-Siegtor gegen den Iran eine Beckenprellung erlitten hatte, konnte nach einer vergebenen Großchance gegen Torhüter Andries Noppert in dessen erst viertem Länderspiel Akzente setzen (3.). Intensiv beackert von Jurrien Timber konnte sich der Ex-Dortmunder nicht wie in den Spielen zuvor entfalten. Zwar tauchten seine Kollegen wie Tim Ream (52.), Weston McKennie (54.) oder Wright (75.) gefährlich vorne auf – doch am Ende fehlte zu oft die Kaltschnäuzigkeit.
Berhalter, in den 1990er Jahren einst Profi in den Niederlanden, versuchte durch Wechsel – unter anderem kam der Dortmunder Giovanni Reyna – noch einmal die Wende zu schaffen und wie zuletzt 2002 das Viertelfinale zu erreichen. Auf der Gegenseite hielt Matt Turner sein Team noch im Spiel, allerdings spielten die Holländer auch ihre Angriffe schlampig zu Ende.