Exequiel Palacios (2.v.l) war Leverkusens Matchwinner beim Sieg gegen die Bayern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Mit den beiden kuriosen Elfmeter-Entscheidungen wollte sich Hasan Salihamidzic nicht aufhalten.

Der Sportchef des FC Bayern München hatte nach der 1:2-Niederlage des deutschen Fußball-Rekordmeisters bei Bayer Leverkusen und dem Verlust der Tabellenspitze an den nächsten Gegner Borussia Dortmund «Gefühle, von denen ich nicht weiß, wie sie heißen». Und er stellte auch die Charakterfrage. 

«Das war das nicht das, was Bayern München bedeutet», schimpfte Salihamidzic: «Wir haben alles vermissen lassen. Haben uns von einer Mannschaft, die am Donnerstag noch gespielt hat, überrennen lassen.» Den Grund für die Niederlage ausgerechnet vor dem Gipfeltreffen der Bundesliga gegen den BVB am 1. April sah Salihamidzic zweifelsohne in der Einstellung. «So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt», sagte er.

Doch nicht nur Salihamidzic war frustriert. Joshua Kimmich schüttelte völlig gefrustet den Kopf, Julian Nagelsmann verschwand schnell in die Kabine, und Oliver Kahn nahm den Schlusspfiff mit versteinerter Miene zur Kenntnis. Die Ausgangslage für das «Knallerspiel» gegen den BVB, sagte Kapitän Thomas Müller bei DAZN, «haben wir uns natürlich anders vorgestellt, das ist logisch». Gegen Leverkusen habe sein Team «leider wenig von dem gezeigt, was uns in den letzten Spielen stark gemacht hat», kritisierte Müller: «Wir müssen uns schon einige Fragen stellen.» 

 Torschütze Kimmich meinte: «Ich sehe nichts Positives in dem Spiel heute.» Auch Trainer Nagelsmann sprach von einer «verdienten Niederlage». Im Duell mit Dortmund sieht der Coach sein Team nun unter Druck: «Wir müssen auf jeden Fall gewinnen, sonst wird es schwierig, die Meisterschaft zu holen». 

Palacios dreht das Spiel

Kimmich, der die Nationalmannschaft in Abwesenheit von Manuel Neuer in der kommenden Woche als Kapitän anführen wird, hatte die Münchner in Führung gebracht (22.). Doch der Argentinier Exequiel Palacios, einziger aktueller Weltmeister in der Bundesliga, drehte das Spiel mit zwei Foulelfmetern (56./73.). Kurios: Schiedsrichter Tobias Stieler hatte nach beiden Aktionen von Benjamin Pavard und Dayot Upamecano dem gefoulten Amine Adli wegen vermeintlicher Schwalben zunächst Gelb gegeben. Beide Male nahm er die Karte nach Videostudium zurück, beide Male entschuldigte er sich bei Adli – und beide Male zeigte er mit Verspätung auf den Punkt.

«Das war heute ein Paradebeispiel für eine perfekte Zusammenarbeit mit dem Videoschiedsrichter», sagte Stieler hinterher: «Das war heute meine Lebensrettung.» Kritik an den Entscheidungen wollte Müller keine üben. «Wir brauchen nicht über den Schiedsrichter zu reden, da haben wir andere Themen.»

Bayer, das in der Europa League als einziger Bundesligist neben den Münchnern im Viertelfinale eines Europacup-Wettbewerbs steht, baute durch den verdienten Sieg seine Serie auf sieben Pflichtspiele ohne Niederlage aus und ist nun dicht dran an den Europacup-Plätzen. «Wir waren sehr aggressiv und haben viele Zweikämpfe gewonnen», lobte Defensivspieler Robert Andrich. 

Trainer Xabi Alonso, der das Team hervorragend eingestellt hatte, setzte damit ein Zeichen an die Bayern-Bosse. Der ehemalige Mittelfeld-Stratege, der von 2014 bis 2017 für den FC Bayern spielte, wird in München als möglicher Trainer der Zukunft beobachtet. «Wir haben mit einer Top-Energie gespielt», lobte Alonso.

Nagelsmann wechselt zweimal

Kurioserweise waren es die Bayern, die keine Englische Woche in den Knochen hatten. Nagelsmann wechselte trotzdem zweimal: Thomas Müller und Leon Goretzka ersetzten zu Beginn Serge Gnabry und Jamal Musiala. Alonso setzte auf seinen beim Spiel in Freiburg aus der Not geborenen Schachzug und beorderte Robert Andrich quasi als Libero in die Mitte einer Dreierkette. 

Insgesamt war die Leverkusener Aufstellung aber nicht auf Defensive ausgerichtet und so spielte das Team auch nicht. Die erste Chance hatten die Gastgeber, als Kerem Demirbay einen Eckball frech direkt aufs Tor zog, Yann Sommer den Ball aber mit den Fingerspitzen über die Latte lenkte (10.). Sieben Minuten später versuchte es der Ex-Nationalspieler gleich wieder, diesmal hatte Sommer etwas weniger Mühe.

Doch Bayer war nun am Drücker und noch bevor die Münchner ihre erste Chance hatten, gab es weitere Chancen. Und dann, wie aus dem Nichts, schlug der Serienmeister eiskalt zu: Leon Goretzka legte ab für Kimmich, dessen Schuss Odilon Kossounou unhaltbar unter die Latte abfälschte. Es war bereits Kimmichs vierter Saisontreffer. Mehr hatte er lediglich in der Saison 2016/17 mit sechs.

Der ständige Gesang der Fans, «ein Schuss, ein Tor – die Bayern», war somit absolut passend. Von nun an standen die Bayern kompakter, bekamen mehr Spielkontrolle und nahmen den Leverkusenern den Wind aus den Segeln. Allerdings ohne selbst bis zur Pause eine weitere Gelegenheit zu erarbeiten. 

Dass Nagelsmann trotzdem nicht wirklich zufrieden war, signalisierte ein Dreifach-Wechsel zur Pause: Neben Musiala und Gnabry kam auch Kinsgley Coman. Thomas Müller, Sadio Mané und Joao Cancelo blieben in der Kabine. Doch das Tor fiel auf der anderen Seite. Nun verstärkten die Bayern ihre Offensiv-Bemühungen, doch Musiala verzog nach tollem Solo und Doppelpass mit Gnabry knapp (69.). Und dann folgte der nächste Elfmeter. Nach dem Rückstand drückten die Gäste auf den Ausgleich, doch Bayer-Keeper Hradecky lief zur Höchstform auf. 

Holger Schmidt und Moritz Rommel, dpa
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