Thorgan Hazard musste nicht allzu lange überlegen. Wenn er sich auch all die Nachrichten auf seinem Telefon so anschaue, «ist es das wichtigste Tor meiner Karriere», betonte der 28 Jahre alte Belgier vom Bundesligisten Borussia Dortmund kurz vor Mitternacht im Estadio La Cartuja.
Er habe auch schon gesagt bekommen, es sei ein Cristiano-Ronaldo-Tor gewesen, berichtete er gut gelaunt. «Wer Hazard(s) hat, braucht keinen Ronaldo», titelte prompt die deutschsprachige belgische Zeitung «Grenzecho».
Der 1:0-Achtelfinalsieg der Belgier gegen Ronaldo und die Portugiesen war so etwas wie eine Titelreifeprüfung für die «Goldene Generation», die noch auf die richtige Veredelung wartet. Und nach der Entthronung des tief enttäuschten Titelverteidigers wartet mit Italien in München der nächste schwere Gegner auf sie. Das Problem: Was ist mit Thorgan Hazards Bruder Eden und was ist mit Spielmacher Kevin De Bruyne?
Einsatz-Chancen 50:50
«Wir werden 48 Stunden brauchen», sagte Trainer Roberto Martínez zu den ausstehenden Diagnosen. Dann ging es doch schneller und der Spanier gab am Dienstag schon Entwarnung. Beide hätten sich keine strukturellen Verletzungen zugezogen und seien weiter beim Team. «Wir hoffen, dass sie sich in den kommenden Tagen gut erholen», sagte Martinez und bezifferte die Chancen auf ihren Einsatz gegen Italien am Freitag (21.00 Uhr) in München mit 50:50.
Kapitän Hazard musste kurz vor Schluss raus: Muskelprobleme. De Bruyne hatte es bei einem Foul deutlich früher erwischt, am Knöchel. «Wir brauchen diese Spieler», betonte Thorgan Hazard. Nach der Rückreise noch in der Nacht von Andalusien ins Camp der Belgier in Tubize waren beide Spieler eingehend untersucht worden. «Wenn wir Kevin De Bruyne auf dem Platz haben, sind wir ein stärkeres Team», sagte Martínez mit Blick auf seinen Führungsspieler.
Dagegen ist für Belgiens Ersatztorhüter Simon Mignolet vom FC Brügge die EM beendet. Wegen einer Knieverletzung gehört er nicht mehr zum Kader. Für ihn wurde Thomas Kaminski von den Blackburn Rovers nachnominiert. Er soll am Mittwoch zum Team stoßen und am Nachmittag das erste Training absolvieren.
Hazard glücklich – Ronaldo mit Seelenschmerz
Doch belegte der Abend in Andalusien auch, dass diese belgische Mannschaft aus mehr als De Bruyne und auch aus mehr als Romelu Lukaku besteht, der beim Duell der Stürmerstars mit Ronaldo ähnlich wirkungslos blieb wie der fünfmalige Weltfußballer. Nur mit dem Unterschied, dass für den Europameister von 2016 nach den fünf Ronaldo-Treffern von sieben Toren in der Gruppenphase ohne einen Ronaldo-Treffer im ersten K.o.-Spiel Schluss war – und bei den Belgiern einfach ein anderer für ausgelassenen Jubel bei der Mannschaft und den Fans sorgte.
«Ich habe einfach mein Glück versucht, es könnte traumhafter nicht sein», betonte Thorgan Hazard. Während Ronaldo mit reichlich Seelenschmerz zu kämpfen hatte und zunächst stumm blieb, sprach der «Man of the Match» von starken Gefühlen, die es bereite, für sein Land zu treffen. Kurz vor der Pause hatte er außerhalb des Strafraums abgezogen. Rui Patricio im portugiesischen Tor hatte zuvor einen Schritt in die falsche Ecke gemacht und konnte den Ball dann nicht mehr klären.
Belgien zeigt Stärke
Was danach folgte, war die verletzungsbedingte Auswechslung von De Bruyne, was wiederum die Entlastungsmomente gegen nun drückende und drängende Portugiesen noch mehr minimierte. Belgien, das Ensemble für elegant-schönen Offensiv-Fußball musste andere Stärken zeigen. «Es war der größte Test, den wir haben konnten», sagte Coach Martínez und räumte ein: Vor zwei Jahren hätten sie den nicht bestanden.
Diesmal schon: Die Dreier-Abwehrkette, die zusammen sage und schreibe 101 Jahre alt ist, das Mittelfeld, in dem in Thorgan Hazard, Axel Witsel und Thomas Meunier gleich drei Dortmunder Profis glänzten, die Angreifer – kollektive Entschlossenheit. Dazu auch ein wenig Glück unter anderem bei einem Pfostenschuss kurz vor Schluss vom portugiesischen BVB-Profi Raphaël Guerreiro. Und ein sicherer Rückhalt in Torhüter Thibaut Courtois.
«Ich hatte in den letzten drei Spielen nicht viel zu tun, aber ich wusste, dass das gegen Portugal nicht der Fall sein würde», sagte der Keeper. Italien wird auch schwierig, aber sie hätten bewiesen, «dass wir bereit dafür sind», betonte Courtois. Als Trainer könne man nicht stolzer sein, sagte Martínez mit Blick auf seine Mannschaft, die auch mit großer Effizienz – sechs Torschüsse und ein Treffer im Gegensatz zu 24 Versuchen der Portugiesen – aufwartete. «Das ist es, was ein Gewinner-Team braucht», lautete das Fazit des Trainers. Auch er musste dafür nicht lange überlegen.