Frankfurt-Coach Oliver Glasner (M) auf dem Weg zum Frankfurter Römer. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Thomas Frey/dpa)

Die Heimkehr mit dem Silber-Pott wurde für die Euro-Helden von Eintracht Frankfurt zu einer einzigartigen Triumph-Fahrt.

Schätzungsweise 200.000 Menschen feierten Trainer Oliver Glasner und seine Schützlinge am Donnerstag in der Mainmetropole für den Gewinn der Europa League und trieben dem einen oder anderen im Eintracht-Tross sogar Tränen in die Augen. «Wie sich die Menschen freuen ist das Schönste an dem Erfolg», betonte Glasner.

Weit über drei Stunden dauerte der Autokorso vom Flughafen zum Frankfurter Römer, wo zigtausende Menschen ihre Lieblinge mit Pyro-Show und Gesängen feierten. «Man kann Titel gewinnen, indem man viel Geld ausgibt. Man kann aber auch Titel gewinnen, indem man eine Einheit bildet», rief Erfolgstrainer Glasner den begeisterten Fans zu.

«Sprengt alle Grenzen»

Vereinslegende Karl-Heinz Körbel, der 1980 beim zuvor einzigen internationalen Titelgewinn dabei war, schüttelte angesichts des überwältigenden Empfangs immer wieder ungläubig den Kopf. «Was hier abläuft sprengt alle Grenzen. Das geht in die Geschichte von Eintracht Frankfurt ein. Diese Fankultur ist einzigartig», sagte der Bundesliga-Rekordspieler.

Die Profis genossen das Bad in der Menge. «Ich bin überwältigt», sagte Publikumsliebling Martin Hinteregger, der im Endspiel von Sevilla gegen die Glasgow Rangers verletzt zuschauen musste. Aufsichtsratschef Philip Holzer gestand: «Mir stehen die Tränen in den Augen, wie viel Freude wir den Menschen bereiten.»

Vor der Mega-Party in Frankfurt hatten die Spieler nach dem mit 5:4 gewonnen Elfmeterdrama gegen den schottischen Vizemeister die Nacht zum Tag gemacht. «Es war feucht-fröhlich und ging bis sechs Uhr in der Früh», berichtete Vorstandssprecher Axel Hellmann nach der Landung in Frankfurt von der rauschenden Siegesfeier in einem Nobel-Club der südspanischen Metropole.

Selbst der sonst so ruhige Glasner – der den Pokal beim Autokorso durch die Stadt kaum aus der Hand gab – mutierte zum Partybiest. «Ich lasse die Sau raus und feiere jetzt bis Samstag durch – und am Sonntag gehe ich in den Urlaub», verkündete der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer aus Österreich.

Eintracht-Helden sprachlos

Die Eintracht-Profis fühlten sich nach dem zweiten internationalen Titel der Vereinsgeschichte nach dem UEFA-Cup-Sieg vor 42 Jahren wie im Märchen – sicherten sie sich neben dem massiven Pokal doch auch die erstmalige Teilnahme an der Champions League. Ein sportlicher und finanzieller Quantensprung für den Traditionsverein, der vor einigen Jahren noch als «launische Diva vom Main» bezeichnet wurde. «Es wird ein paar Jahre dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird», sagte der von einer Kopfwunde gezeichnete Rode. Und Kevin Trapp betonte: «Wir haben immer nach Superlativen gesucht. Aber es gibt einfach kein Wort, um das zu beschreiben.»

Der Nationaltorwart war einer der Helden des dramatischen Endspiels. Erst rettete der 31-Jährige seine Mannschaft mit einer Monsterparade kurz vor dem Ende der Verlängerung in das Elfmeterschießen, wo er dann den Versuch von Aaron Ramsey parierte. Danach gab es ein Extra-Lob von Bundestrainer Hansi Flick. «Kevin hat eine tolle und herausragende Leistung gezeigt.»

Nachdem Rafael Borré den letzten Elfmeter eiskalt zum 5:4 verwandelt hatte, herrschte Ekstase pur – auch auf den Rängen des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán und in der Heimat, wo knapp 60.000 Fans im und rund um das Frankfurter Stadion beim Public Viewing die Daumen gedrückt hatten.

Der Erfolg, den fast neun Millionen Menschen vor den TV-Geräten verfolgten, war die vorläufige Krönung einer rasanten Entwicklung in den vergangenen Jahren. 2017 verloren die Hessen gegen Borussia Dortmund das DFB-Pokalfinale, in dem sie ein Jahr später gegen Bayern München triumphierten. 2019 folgte der Einzug ins Halbfinale der Europa League und nun der ganz große Erfolg mit einer makellosen Bilanz: von 13 Spielen verlor die Eintracht kein einziges.

«Die Marke Eintracht Frankfurt ist in den vergangenen Jahren bereits eine internationale geworden, jetzt hat sie noch einmal an Strahlkraft gewonnen. Die Eintracht ist ein Vorbild für viele Clubs nicht nur in Deutschland», würdigte DFB-Direktor Oliver Bierhoff die ertragreiche Arbeit am Main.

Internationales Renommee verschafft

Mit ihrem Auftreten in Europa verschafften die Hessen auch der Bundesliga internationales Renommee. Immerhin lag der letzte deutsche Titelgewinn in diesem Wettbewerb schon 25 Jahre zurück. «Das ist ein herausragender Erfolg für Eintracht Frankfurt und gleichermaßen auch für den deutschen Fußball», sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga und Geschäftsführer beim Vizemeister Borussia Dortmund. «Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen in der Champions League.»

Einen Vorgeschmack auf die Königsklasse gibt es für die Eintracht schon am 10. August beim Supercup. Dann heißt der Gegner in Helsinki entweder FC Liverpool oder Real Madrid. Von Gegnern dieses Kalibers wurde am Main bisher allenfalls geträumt. Frankfurt habe gezeigt, «was Teamgeist und Begeisterung bedeuten und welche Erfolge dann möglich sind, wenn eine Mannschaft, ein Verein und die gesamte Stadt für ein gemeinsames Ziel brennen», stellte Bierhoff fest.

Wenn die Feierlichkeiten vorüber sind, wollen die Eintracht-Verantwortlichen in Ruhe über die Strategie für die nähere Zukunft beraten. Die Perspektiven sind glänzend. «Natürlich tun die zusätzlichen Einnahmen nach zwei Jahren Corona gut. Das hilft uns extrem für die Zukunft», sagte Sportvorstand Markus Krösche. Auch bei Vertragsgesprächen mit Stars wie Filip Kostic. Glasner ist von einem Verbleib des Flügelflitzers, der im vorigen Sommer mit einem Streik einen Wechsel zu Lazio Rom erzwingen wollte, überzeugt: «Er hat noch ein Jahr Vertrag. Ich denke, das war nicht sein letztes Spiel.»

Schon jetzt ist klar: trotz aller Wachstumschancen will sich der Verein treu bleiben. «Die Champions League ist natürlich außergewöhnlich für Eintracht Frankfurt, aber wir werden unsere Transferstrategie nicht ändern», verkündete Krösche. Und der «unfassbar stolze» Präsident Peter Fischer bekräftigte: «Der Wettbewerb wird härter und schärfer. Aber wir gehen jetzt nicht groß einkaufen, weil wir uns einmal für die Champions League qualifiziert haben. In diesem Verein wird es kein Harakiri geben.»

Von Eric Dobias und Patrick Reichardt, dpa
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