Finanziell ein Segen, sportlich ein Verlust: Borussia Dortmund muss mit Jude Bellingham erneut ein Fußball-Juwel ersetzen. Nach monatelangem Transferpoker wechselt der 19-Jährige zu Champions-League-Rekordsieger Real Madrid.
Wie der börsennotierte Bundesligist in einer Ad-Hoc-Mitteilung bekanntgab, zahlt der spanische Renommierclub 103 Millionen Euro für den eigentlich bis 2025 gebundenen englischen Nationalspieler. Dazu kommen mögliche Bonuszahlungen bis zu einer maximalen Gesamthöhe von rund 30 Prozent des Fixbetrages. Im Idealfall könnte der Erlös auf knapp 135 Millionen Euro ansteigen. «Die vertraglichen Details sind nun noch abzustimmen und zu dokumentieren», hieß es in der Mitteilung.
Der Abgang eines weiteren Schlüsselspielers mit viel Perspektive gehört mittlerweile zur Dortmunder DNA. Ähnlich wie schon bei Erling Haaland (Manchester City), Jadon Sancho (Manchester United) oder Ousmane Dembélé (FC Barcelona) ist der Bundesliga-Zweite gefordert, die entstandene große Lücke möglichst schnell zu schließen. Zum wiederholten Mal konnte ein im eigenen Club zum internationalen Star gereifter Profi dem Lockruf des Geldes nicht widerstehen. Nach drei Jahren im schwarz-gelben Trikot mit 132 Pflichtspielen und 24 Toren verspürte Bellingham Lust auf etwas Neues – und auf mehr internationales Renommee. Dem Vernehmen nach soll er in Madrid einen Vertrag bis 2029 erhalten.
Nur Dembélé brachte mehr
Trost spendet die üppige Ablöse. «Dadurch erwartet die Geschäftsführung einen positiven Mindesteffekt auf die Ergebniskennzahlen für das Geschäftsjahr 2023/2024 in der Größenordnung von rund 77 Millionen Euro», teilte der BVB mit.
Mit Ousmane Dembélé, der 2017 für rund 140 Millionen Euro vom BVB zum FC Barcelona wechselte, brachte bisher nur ein Spieler in der Bundesliga-Geschichte mehr Geld ein als Bellingham. Auch auf Platz drei dieser Verkaufsliste rangiert mit Jadon Sancho ein Dortmunder. Der Abgang des Dribblers zu Manchester United spülte im Sommer 2021 85 Millionen Euro in die Vereinskasse.
Der 2020 im Alter von nur 17 Jahren vom englischen Zweitligisten Birmingham verpflichtete rund 25 Millionen Euro teure Bellingham hatte sich für den BVB schnell als Glücksgriff erwiesen. Mit großem Einsatz und viel Übersicht avancierte er binnen weniger Monate zum Publikumsliebling und zum englischen Nationalspieler.
Liverpool stieg im Poker aus
Das steigerte seinen Marktwert beträchtlich. Selbst der lange Zeit als neuer Bellingham-Club gehandelte FC Liverpool stieg angesichts der üppigen Ablöse bereits vor Wochen aus dem Transferpoker aus. Übrig blieben die Königlichen aus Madrid, die allmählich nach Ersatz für die jahrelangen Erfolgsgaranten Luka Modric (37) und Toni Kroos (33) im Mittelfeld suchen.
Die hohe Wertschätzung für Bellingham brachten unlängst Fans, Verein und Experten bei ihrer Wahl zum «Spieler der Saison 2022/23» zum Ausdruck. Dabei erhielt der unermüdliche Läufer und engagierte Zweikämpfer die meisten Stimmen. «Das kann ich gar nicht glauben. Das ist wahrscheinlich eine der Auszeichnungen, auf die ich am meisten stolz bin, seit ich in diesem Verein spiele», kommentierte Bellingham, der in seinem dritten Bundesliga-Jahr bei acht Treffern und vier Assists auf zwölf direkte Torbeteiligungen kam.
Die durch den Verkauf von Bellingham erzielten Erlöse kommen Sebastian Kehl gelegen. Am Ende einer Saison der verpassten Chancen plant der Sportdirektor einen Kaderumbau. Charakterfeste, kampf- und spielstarke Neuzugänge sollen der Borussia dabei helfen, das Trauma nach der am letzten Spieltag verspielten Meisterschaft zu überwinden. «Ich denke, dass wir etwa 60 bis 65 Prozent der Transfersummen, die wir in dieser Periode erzielen, wieder reinvestieren werden», kündigte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke unlängst in der «Bild» an. Raphael Guerreiro, Mahmoud Dahoud, Luca Unbehaun, Felix Passlack und Anthony Modeste wurden beim BVB bereits verabschiedet.
Edson Alvarez von Ajax Amsterdam könnte helfen, den Bellingham-Abgang zumindest teilweise zu kompensieren. Laut Medienberichten soll der BVB Interesse an einer Verpflichtung des 25-jährigen Mexikaners haben, der als defensiver Mittelfeldspieler allerdings nicht über die Offensivqualitäten des Engländers verfügt. Als Transfersumme sind 35 bis 40 Millionen Euro im Gespräch.