Brasiliens Superstar Neymar polarisiert. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andre Penner/AP/dpa)

Er kann begeistern. Er kann nerven. Es gibt Menschen, die ihn lieben. Manche verachten ihn. Sicher ist nur eines: Er spaltet wie kein Zweiter. Nicht nur die Fußballwelt, sondern auch eine ganze Nation. Neymar da Silva Santos Júnior steht wie kein Zweiter für die Zerrissenheit Brasiliens.

Und für die Hoffnung eines Landes auf den so sehr ersehnten sechsten WM-Titel. Zweimal hat er der Seleção aus unterschiedlichen Gründen diesen Traum nicht erfüllen können. Seine dritte WM-Teilnahme nun in Katar könnte die letzte Chance sein. «Neymar», schrieb Brasiliens Ex-Weltmeister Romário in einem Brief auf «The Players Tribune». «Der Moment kommt, weißt du?»

Das glaubt er auch selbst. Als Neymar vor einigen Tagen via Instagram seiner Trainingskleidung einen sechsten Stern als Emoji hinzufügte, spottete die «Bild» über den «1. Arroganz-Anfall» des Megastars. Brasilien bestreitet seinen WM-Auftakt gegen Serbien zwar erst an diesem Donnerstag (20.00 Uhr/ZDF und Magenta TV), das Thema Neymar ist aber schon seit Tagen präsent.

Immer im Fokus

Jeder Schritt des 30-Jährigen in Doha wird genauestens beobachtet. Wie er im Training locker mit Kapitän Thiago Silva scherzt. Mit wem er weniger redet. Was er in den sozialen Medien postet. Was er dazu schreibt. Was er sagt. Wie er es sagt. Alles.

Er will jetzt ein anderer Neymar sein als in der Vergangenheit. In den vergangenen Monaten soll er vieles dem Traum vom sechsten Stern untergeordnet haben: gesündere Ernährung, weniger Partys, härteres Training, mehr Training. Brasiliens Trainer Tite bestätigt diese Veränderungen. «Zuerst gehört Neymar ein Lob, weil er auf sein professionelles Gewissen gehört hat. Wir als Seleção sind glücklich, weil wir von diesem Prozess profitieren werden», sagte der 61-Jährige der «Sport Bild». Tatsächlich spielt der Angreifer bisher eine überzeugende Saison für Paris Saint-Germain. In 20 Pflichtspielen erzielte er für das von Katar finanzierte Starensemble 15 Tore und legte 12 weitere auf.

Trotzdem wird er von etwa der Hälfte seiner Landsleute verachtet. Oder anders ausgedrückt: schätzungsweise von 50,9 Prozent derjenigen, die Ende Oktober zur Stichwahl um das Präsidentenamt gegangen sind. So viele hatten für Wahlsieger Lula gestimmt. Neymar jedoch hatte vorher offensiv für den Amtsinhaber und Rechtspopulisten Jair Bolsonaro geworben. Also für den Mann, der sich nicht erst einmal abfällig über Schwarze, Schwule, Frauen oder Indigene geäußert hat. Sogar sein erstes WM-Tor wolle er Bolsonaro widmen, hatte Neymar damals angekündigt. Weil er ähnliche Werte wie Bolsonaro habe.

Rat von Romário

Sollte ihm dieses Tor tatsächlich schon gegen Serbien gelingen, dürften nicht wenige Brasilianer vor ihren Bildschirmen abfällig den Kopf schütteln. Er soll sich nicht darum scheren, meint Romário. «Sei einfach du selbst. Die Leute werden dich so oder so kritisieren.»

Die Frage wird nur sein: Wer wird Neymar auf dem Platz eigentlich sein? Der hochtalentierte Antreiber seiner Mannschaft von der Heim-WM 2014, der nur durch ein brutales Foul des Kolumbianers Juan Camilo Zúñiga zu stoppen war. Oder der Neymar der WM 2018 in Russland, der mehr durch seine permanente Fallsucht als durch fußballerische Glanzleistungen auffiel?

Auch die Antworten auf diese Fragen werden über das Bild entscheiden, das nach diesem Turnier von ihm bleiben wird. Es könnte möglicherweise seine letzte Weltmeisterschaft sein. «Ich glaube das, weil ich nicht weiß, ob ich noch die Stärke im Kopf habe, mich weiter mit Fußball zu beschäftigen», sagte Neymar in einer DAZN-Dokumentation. Was wäre das für eine Geschichte für ihn, mit dem goldenen Pokal abzutreten? Und was wäre es für eine Geschichte, wenn ihm nach diesem Turnier noch mehr Verachtung als sonst entgegenschlagen würde? Beides würde passen. Weil er eben Neymar ist.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Brasilien: 1 Alisson – 2 Danilo, 4 Marquinhos, 3 Thiago Silva, 6 Alex Sandro – 5 Casemiro, 10 Neymar, 7 Paquetá – 11 Raphinha, 9 Richarlison, 20 Vinicius Júnior

Serbien: 23 V. Milinkovic-Savic – 4 Milenkovic, 13 S. Mitrovic, 2 Pavlovic – 19 Racic – 22 Lazovic, 20 S. Milinkovic-Savic, 10 Tadic, 17 Kostic – 18 Vlahovic, 9 A. Mitrovic

Schiedsrichter: Alireza Faghani (Iran)

Nils Bastek, dpa
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