Seit 18 Jahren spielt Luka Modric im kroatischen Nationaldress. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jan Woitas/dpa)

Wie ein zerbrechliches Häufchen Elend hielt Kroatiens Nationalheld Luka Modric seine Auszeichnung für den «Spieler des Spiels» in die blitzenden Kameras. Seine Augen rot und verheult. Die Haare zerzaust, der Blick versteinert und leer.

18 Jahre nach seinem Debüt in der Nationalmannschaft erlebte der kroatische Fußballstar beim 1:1 gegen Titelverteidiger Italien einen seiner bittersten und wahrscheinlich auch letzten EM-Abende. «Der Fußball war heute grausam», beschrieb der Kapitän völlig niedergeschlagen den schmerzhaften Moment.

Oberkörperfrei und mit einem Italien-Trikot um den Hals kauerte Modric nach dem Last-Minute-Gegentreffer in der achten Minute der Nachspielzeit auf dem Rasen. Erfolglos versuchte der Rekordnationalspieler Kroatiens, seine Emotionen zu verbergen. Schließlich schlurfte er mit Tränen in den Augen in die Fankurve, um sich bei Zehntausenden Anhängern für eine am Ende wohl vergebliche Unterstützung zu bedanken.

Modric setzt Karriere fort

Die Schockstarre der mitgereisten Kroaten löste sich zumindest etwas, als Modric später über seine Zukunft sprach. «Ich werde nicht gleich aufhören. Ich werde noch eine Weile spielen. Wie lange, weiß ich noch nicht», erklärte der 38 Jahre alte Spielmacher, der sich mit seinem Führungstor gegen Italien zum ältesten Torschützen der EM-Historie gekrönt hatte.

Unklar blieb zunächst, ob Modric über seine Laufbahn im Nationaltrikot oder auf Vereinsebene bei Real Madrid sprach. Sein Vertrag bei den Königlichen endet in ein paar Tagen. Die Tendenz geht zum Verbleib. Was allerdings als sicher gilt: Modric‘ Karriere im Nationalteam endet ohne Titel. Denn dass sich der quirlige Ballverteiler noch zwei weitere Jahre bis zur WM in Nordamerika quält, scheint ausgeschlossen. Und den Glauben daran, dass die EM in Deutschland für Kroatien weitergeht, hat selbst Modric schon verloren.

Ja, rechnerisch blieb nach dem Italien-Spiel diese Mini-Chance, noch zu den vier besten Gruppen-Dritten zu gehören. Aber nur rechnerisch. «Ich finde es unfair, dass wir so ausscheiden, weil wir für unser Volk ab der allerersten Minute gekämpft haben», sagte Modric nach seinem 178. Länderspiel: «Der Fußballgott ist nicht immer gnädig». Klingt so jemand, der noch an das EM-Wunder glaubt?

Applaus und Lob im Presseraum

Das kleine Fußball-Land von der Adria, das sich nach Platz drei bei der WM und dem Finale in der Nations League Chancen auf den erstmaligen Einzug in ein EM-Halbfinale ausgerechnet hatte, steht unter Schock. «Vom Märchen in den Alptraum», schrieb die kroatische Zeitung «Jutarnji List». Und auch Modric musste gestehen: «Das ist ein trauriger Tag für den kroatischen Fußball».

Seit Jahren ist der Weltfußballer von 2018 das Herz und die Seele der Kroaten. Bei seinem Debüt 2006 war das deutsche Sommermärchen noch nicht einmal geschrieben. Modric genießt schon jetzt Legenden-Status in dem kleinen Land mit nur etwas mehr Einwohnern als Berlin. Sogar eine eigene Briefmarke wurde dem 1,72 Meter großen Fußballer gewidmet. Als Modric am Montagabend den Presseraum betrat, applaudierten kroatische und italienische Reporter zusammen. Ein italienischer Journalist adelte Modric als «einen der Besten, über den ich je berichten durfte».

Dalic kritisiert Schiedsrichter

Auch für Nationalcoach Zlatko Dalic ist Modric der größte kroatische Fußballer aller Zeiten. «Er ist jemand, zu dem jeder aufschauen muss und von dem jeder lernen kann», lobte Dalic. Umso bitterer sei es, dass Modric‘ historischer Tag durch ein Gegentor in der 98. Minute zerstört wurde. «Ich möchte sagen, dass acht Minuten heute auf keinen Fall berechtigt waren. Es gab keine Spielunterbrechungen und auch nicht so viele Fouls. Mich nervt, dass Kroatien nicht respektiert und anerkannt wird», meckerte Dalic und stellte die für ihn rhetorische Frage: «Passiert das bei Portugal oder Spanien auch?»

Zumindest Modric kann sich nicht über mangelnden Respekt beschweren. «Bitte hören Sie nicht mit dem Fußball auf», sagte der italienische Reporter fast schon flehend und schaffte es so immerhin, dem Kroaten ein kurzes Lächeln zu entlocken. «Irgendwann muss ich aufhören», entgegnete Modric.

Jordan Raza, Jens Marx und Patrick Reichardt, dpa
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