Der Kollaps des Dänen Christian Eriksen überschattete die EM. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Stuart Franklin/Getty Pool/AP/dpa)

Die Fußball-EM hat schon vor dem Finale viele prägende Figuren: Torwarthelden wie Yann Sommer, Volkshelden wie Nordmazedoniens Goran Pandev und ein tragischer Held mit Christian Eriksen.

Elf Spieler, ein Trainer und ein Schiedsrichter als die Köpfe des Turniers, das am Sonntag mit dem Finale zwischen Italien und England in Wembley zu Ende geht:

Christian Eriksen: Der Kollaps des dänischen Nationalspielers zum Turnierauftakt überschattete die EM – und beflügelte nach dem überstandenen Schock die Mannschaft von Trainer Kasper Hjulmand. Der 29-Jährige von Inter Mailand überlebte. «Ich denke jeden Tag an Christian, vor dem Spiel und nach dem Spiel», sagte Hjulmand. Die weltweite Woge der Zuneigung trägt Dänemark emotional durch die Spiele. Eriksen bekam einen Defibrillator eingesetzt. Ob und wann er seine Karriere fortsetzen kann, ist offen.

Giorgio Chiellini: Das breite Grinsen und die kompromisslose Spielweise des Kapitäns und Abwehrchefs steht auch für Italiens Erfolgsweg. Der 36-Jährige von Juventus Turin gab vor fast zwei Jahrzehnten, am 17. November 2004, sein Debüt in der Squadra Azzurra. Nach der verpassten WM 2018 lebt nun sein Traum vom ersten Titel mit der Nationalmannschaft. Sein Privatleben hält der Vater von zwei Töchtern weitgehend aus der Öffentlichkeit heraus, nur seinen Uni-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften gab er 2017 bekannt.

Marko Arnautovic: Das Bild, wie David Alaba seinen Teamkollegen energisch am Kinn packt und versucht, ihm den Mund zuzuhalten, wird den Stürmer noch lange begleiten. Die Aktion von Österreichs Kapitän kam zu spät: Der 32-Jährige China-Profi und Ex-Bremer hatte gegen Nordmazedonien zum 3:1-Endstand getroffen – und wurde von der UEFA später für ein Spiel gesperrt, weil er beim Torjubel den Gegner beleidigte. Arnautovic polarisiert immer wieder, aber er ist «ein absolutes Mentalitätsviech», sagt sein Kollege Christoph Baumgartner.

Patrik Schick: Dass es Tschechien unter die besten Acht schaffte, ist maßgeblich dem Leverkusener zuzuschreiben. Fünf der sechs Turniertore seines Teams erzielte er und stellte damit den nationalen EM-Rekord von Milan Baros ein. Seinen Marktwert dürfte der 25 Jahre alte Ex-Leipziger (Vertrag bei Bayer bis 2025) massiv gesteigert haben. In der Torschützenliste liegt Schick sogar gleichauf mit Superstar Cristiano Ronaldo. Da in der UEFA-Arithmetik bei Gleichstand die Vorlagen herangezogen werden, reicht es momentan nur für Platz zwei.

Cristiano Ronaldo: Wenn der EM-Titel am Sonntag ausgespielt wird, ist Portugals Superstar längt im Urlaub. Die Träume des Triumphators von 2016 zerschellten im Achtelfinale an Belgien. Dennoch hinterließ der fünfmalige Weltfußballer Zahlen für die Historie: Ronaldo ist mit 14 Toren neuer EM-Rekordtorschütze und hat den Franzosen Michel Platini (9) inzwischen deutlich hinter sich gelassen. Und mit 109 Länderspiel-Toren zog er mit dem Iraner Ali Daei gleich. Auch 25 EM-Endrundenspiele und fünf Turniere sind Bestwert.

KylianMbappé: 2018 noch Weltmeister mit Frankreich und als Nachwuchsstar ausgezeichnet. Die EM war überhaupt nicht das Turnier des 22-Jährigen von Paris Saint-Germain. Kein Tor für die Équipe Tricolore – und dann noch das: Im Achtelfinal-Aus gegen den Schweiz scheiterte er als letzter französischer Elfmeterschütze an Yann Sommer. «Ich wollte dem Team helfen, aber ich habe versagt», schrieb er später. Die «Desillusionierung des Mbappé», urteilte das Fachblatt «L’Équipe» passend.

Yann Sommer: Das Bild, wie der 32-Jährige mitten seiner ausflippenden Teamkollegen jubelt, wird er sich vielleicht ins Wohnzimmer hängen. Der Mönchengladbacher Keeper ging beim Elfmeterkrimi gegen Frankreich in die Schweizer-Fußballgeschichte ein. Gegen Spanien rettete er sein Team dann mit seinen Paraden wieder in die Entscheidung vom Punkt, diesmal reichte es nicht. «Für mich könnte Yann problemlos bei Mannschaften wie Real oder auch Barça spielen», sagte Ex-Keeper und Landsmann Jörg Stiel, früher auch ein Borusse.

Goran Pandev: Nordmazedoniens Fußball-Idol, Rekordspieler und Kapitän beendete nach dem Turnier des Neulings seine Nationalmannschaftskarriere. Der 37-Jährige, der zuletzt für den FC Genua in der Serie A spielte, erzielte das erste EM-Tor Nordmazedoniens überhaupt gegen Österreich. Für seine Landsleute unvergessen auch sein Treffer beim 2:1 in der WM-Qualifikation gegen Ende März gegen Deutschland. Die EM-Teilnahme bezeichnete Pandev als «Höhepunkt» seiner Karriere: «Ein Traum ist wahrgeworden.»

GeorginioWijnaldum: Mit seiner Kapitänsbinde mit der Aufschrift «One Love» setzte der 30-jährige Niederländer in Budapest ein Zeichen. Zuvor war dort im Spiel der Ungarn gegen Frankreich Stürmerstar Kylian Mbappé von den Rängen der Puskas Arena rassistisch beleidigt worden. Wijnaldum schied zwar mit seinem Team gegen Tschechien aus, doch seine Aktion bleibt: Oranje protestierte damit auch gegen ein ungarisches Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränken.

Harry Kane: Ein Elfmeter-Nachschuss ins Glück – Englands Kapitän Harry Kane brachte die Three Lions mit dem 2:1 gegen Dänemark in ihr erstes EM-Finale überhaupt. Es war der vierte Turniertreffer des 27-Jährigen von Tottenham Hotspur, bei dem am Anfang viele Fans und Kritiker fragten: Wo ist Kane? Doch der WM-Torschützenkönig von 2018 fand rechtzeitig in die Spur mit seinem Treffer zum 2:0 gegen Deutschland und zwei weiteren gegen die Ukraine. Jetzt will er am Sonntag den ersten Pokal für England seit der WM 1966 hochhalten.

Sergio Busquets: Den Turnierstart verpasste Spaniens Kapitän noch wegen eines positiven Corona-Tests. Quarantäne statt Teamtraining und Spiele. Der 32-Jährige vom FC Barcelona kam spät – aber gewaltig. «Es ist spektakulär, an seiner Seite zu spielen», sagte Mittelfeldkollege Pedri (18) über den Weltmeister von 2010. «Superkapitän», schrieb «Marca». Sein 128. Länderspiel als EM-Finale blieb Busquets durch das bittere Halbfinal-Aus gegen Italien verwehrt. Es soll sein letztes Turnier sein, sagte er.

Joachim Löw: Seine 15-jährige Amtszeit als Bundestrainer endete ähnlich bitter wie die WM 2018 in Russland mit dem Aus nach der Vorrunde. Mit dem 0:2 im Achtelfinale gegen England ging eine Ära mit 198 Länderspielen zu Ende. Löw konnte nach dem unvergessenen WM-Triumph von 2014 keinen weiteren Fußball-Gipfel erklimmen und erntete viel Kritik. Der 61-jährige übergibt den Stab an seinen früheren Assistenten Hansi Flick. «Mein Herz schlägt weiterhin schwarz-rot-gold», versprach er zum Abschied.

Felix Brych: Beim Halbfinal-Kracher zwischen Italien und Spanien zeigte der Bundesliga-Schiedsrichter aus München seine ganze Klasse. «Großartiger Referee», twitterte Englands Kultstar Gary Lineker. «Ich liebe es, wie die Referees bei diesem Turnier den Spielfluss ermöglichen. Sie geben nicht alle paar Sekunden für den leichtesten Kontakt einen Freistoß, wie wir es in der Premier League sehen.» Für den 45-Jährigen war es das fünfte Spiel bei dieser EM. Trost für die enttäuschende WM 2018, als er nur ein Vorrundenspiel pfeifen durfte.

Von Ulrike John, dpa
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