In Hamburg bereiten sich die Fans auf den größten Fußballtag seit vier Jahren vor, in Berlin stellen sich die Kritiker auf eine gnadenlose Abrechnung mit dem Big-City-Club Hertha BSC ein.
Vor dem Relegations-Rückspiel zwischen dem Zweitligisten Hamburger SV und Bundesligisten Hertha BSC am Montag (20.30 Uhr/Sky und Sat.1) im Volksparkstadion scheinen die Rollen der Protagonisten fest verteilt. Weniger das 1:0 der Hamburger ist Grund dafür, sondern die Darbietungen der Teams am vergangenen Donnerstag. Mut und Siegeswille auf der einen, Kraftlosigkeit und Zaudern auf der anderen Seite.
Magath bürdet HSV Druck auf
Hertha-Trainer Felix Magath versucht, den Norddeutschen Rucksäcke umzuschnallen. «Jetzt ist der HSV derjenige, der was zu verlieren hat. Jetzt ist der Druck beim HSV, bei den Spielern und nicht mehr bei uns», sagte der einstige HSV-Profi, -Trainer und -Manager, der den Rautenclub immer noch als seine große Liebe bezeichnet.
Dass Magaths Einschätzung verfängt, kann man sich schwer vorstellen. Walter saß bei der HSV-Pressekonferenz einen Tag vor der Partie lächelnd und entspannt auf dem Podium, als würde er am Montag in einen dreiwöchigen Malediven-Urlaub gehen. «Druck ist ein Privileg», sagte der 46-Jährige. «Wir haben gefühlt seit Wochen Endspiele. Deswegen gehen wir es genauso am Montag an», beteuerte er.
Während das Hinspiel den HSV-Profis signalisierte, auf dem richtigen Weg zu sein, mehren sich beim Hauptstadt-Team die Zweifel. «Das war schlimm, ich habe mich erschrocken und bin immer noch geschockt. Ich weiß absolut nicht, wie diese Hertha diese Geschichte noch biegen will», wird der ehemalige Hertha-Kapitän Dick van Burik in der «Bild»-Zeitung zitiert.
Magath ist nicht so pessimistisch. Mit der Rückkehr des im Hinspiel gesperrten Santiago Ascacibar habe das Team nun einen «ganz wichtigen Mentalitätsspieler» in seinen Reihen. Zudem soll Kevin-Prince Boateng, der in der ersten Partie auf die Ersatzbank verbannt worden war, im Rückspiel in eine Art Messias-Rolle schlüpfen. «Der Prince ist ein Finalspieler. Der weiß, wie das geht», behauptete Magath. Und Manager Fredi Bobic sieht noch einen anderen Kraftquell: «Ich habe die Überzeugung, dass die Jungs auch mit einer gewissen Wut auch reingehen in dieses Spiel.»
Walter baut auf eigene Stärke
Über den Gegner will sich Walter nicht den Kopf zerbrechen. «Wir haben uns wenig mit der Konkurrenz beschäftigt», sagte er, «und wollen das auch weiterhin nicht tun. Entscheidend ist, was wir machen.» Mantra-artig wiederholt der Coach bei jeder Gelegenheit den HSV-Satz der Saison: «Wir bleiben bei uns.»
Was zunächst als Plattitüde belächelt wurde, ist für die Mannschaft zu einer stringenten Denkweise geworden. Das ist die Lehre aus den Debakeln der drei Vorjahre, als das öffentliche Getöse im Aufstiegsrennen beim HSV zu Nervenflattern, Mutlosigkeit und stets zu vierten Plätzen geführt hatte. Diesmal reichte der Blick immer nur bis zum nächsten Spiel und bis zur eigenen Kabine.
In Hamburg scheinen selbst die Anhänger des Stadtrivalen FC St. Pauli – wenn auch mit Widerwillen – kein Veto gegen einen HSV-Aufstieg einlegen zu wollen. Denn dann ist «der Verein neben der Müllverbrennungsanlage», wie der HSV verächtlich tituliert wird, wenigstens raus der 2. Liga und kann dem eigenen Team im Aufstiegsrennen der nächsten Saison nicht mehr die Tour vermasseln.
Magath, der seinen Ruf als Quälix und Schleifer weg hat, ist weniger ein Psychologe. Im Hinspiel drängte sich der Eindruck auf: Walter ist mittendrin, Magath nur dabei. Beim HSV sagen die Spieler vor der Kamera: «Wir sind stolz auf den Trainer.» Würde das ein Hertha-Kicker über seinen Coach so formulieren?