Wie bereits Italien am Tag zuvor drehte auch die Niederlande nach Rückstand ihre Partie. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ebrahim Noroozi/AP)

Wout Weghorst genoss mit breitem Grinsen die Umarmungen seiner erleichterten Teamkollegen, dann ließ sich der treffsichere Joker ganz allein vor der orangen Fankurve feiern. Der Profi der TSG Hoffenheim hat den Niederlanden einen perfekten Start ins EM-Turnier beschert – mit einem Tor bei seinem ersten Ballkontakt nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung. «Das ist natürlich das, was du dir wünschst», sagte Weghorst bei RTL und MagentaTV. «Es ist mega für uns, dass das geklappt hat.» 

Weghorst traf im Auftaktspiel gegen Polen in der 83. Minute zum hoch verdienten 2:1 (1:1) für den Europameister von 1988. Zuvor hatte Cody Gakpo (29.) für das klar überlegene Oranje-Team in Hamburg die überraschende Führung der Polen durch Adam Buksa (16.) ausgeglichen. «Wir wussten, es wird ein schwerer Gegner. Und das haben sie auch gezeigt», sagte Gakpo. Der Sieg sei sehr wichtig gewesen und das Siegtor «in der Schlussphase einfach großartig».

Die ohne ihren verletzten Topstar Robert Lewandowski angetretenen Polen stehen indes in der schweren Gruppe D bereits unter Druck. Weitere Gegner in der Vorrunde sind Topfavorit Frankreich und Österreich mit Trainer Ralf Rangnick.

Fanmarsch zur Einstimmung auf die Oranje-Party

Angetrieben von weit mehr als 20.000 Oranje-Fans unter den rund 50.000 Zuschauern im voll besetzten Volksparkstadion waren die Niederländer das klar dominierende Team. Schon den ganzen Tag über hatten die orangefarbenen Anhänger die Szenerie in der Hansestadt bestimmt und sich bei einem stimmungsvollen Fanmarsch auf den ersten Auftritt ihrer Elftal eingestimmt.

An Hamburg haben die Niederländer beste Erinnerungen. 1988 schlugen sie im EM-Halbfinale den Erzrivalen Deutschland mit 2:1. Wenig später feierte Holland in München gegen die Sowjetunion durch ein 2:0 den bislang einzigen großen Titel. Der heutige Bondscoach Ronald Koeman war damals eine tragende Säule des Teams. Seine unrühmliche Szene nach dem Halbfinale, bei der so tat, als würde er sich mit dem zuvor getauschten Trikot von Olaf Thon den Hinten abputzen, verfolgt Koeman trotz späterer Entschuldigungen bis heute bei Besuchen im Nachbarland.

Manko Chancenverwertung

Die niederländische Partystimmung wurde auch durch einen Vorfall nahe der Hamburger Reeperbahn und des EM-Fanfestes, bei dem ein Mann von der Polizei angeschossen wurde, nicht groß beeinträchtigt. Ein Zusammenhang mit der EM wurde zunächst ausgeschlossen. 

Einziges Manko beim Koeman-Team war die Chancenverwertung. Bereits in der zweiten Minute hatte Gakpo die erste Chance zur Führung, in der Folgezeit vergaben Tijjani Reijnders und Memphis Depay weitere gute Gelegenheiten. Die Nachlässigkeiten rächten sich nach etwas mehr als einer Viertelstunde. Nach einer Ecke nutzte Buksa ein Missverständnis zwischen Virgel van Dijk und Denzel Dumfries und köpfte zur völlig überraschenden Führung der Polen ein.

Doch die Niederländer wirkten nicht geschockt und drängten weiter aufs Tempo. Und nach knapp einer halben Stunde wurde der Angriffsschwung der Elftal belohnt. Der starke Nathan Aké fing einen Ball der Polen ab und bediente direkt Gakpo, der in die Mitte zog und wuchtig abschloss. Abgefälscht vom polnischen Verteidiger Bartosz Salamon fand der Ball den Weg zum hochverdienten Ausgleich ins Tor.

Es spielt fast nur die Niederlande

Noch vor der Pause hätten der Stürmer vom FC Liverpool und Memphis Depay das Oranje-Team in Führung bringen können, vergaben aber jeweils beste Chancen. Das 1:1 zur Halbzeit war für die Polen höchst schmeichelhaft.

Auch nach dem Seitenwechsel spielte fast nur die Niederlande. Doch vor dem Tor ließ das Oranje-Team die nötige Entschlossenheit vermissen. Die Polen setzten bei Kontern gegen die immer sattelfeste Holland-Abwehr hin und wieder Nadelstiche, Jakub Kiwior vergab in der 57. Minute die beste Chance für den Außenseiter. In der 81. Minute kam Weghorst, zwei Minuten später wurde er zum Oranje-Retter und genoss erstmal jeden Moment nach dem Schlusspfiff.

Lars Reinefeld, Claas Hennig und Felix Schröder, dpa
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