Bayern-Torwart Manuel Neuer machte gegen Real Madrid ein starkes Spiel, leistete sich aber einen entscheidenden Patzer. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Peter Kneffel/dpa)

Manuel Neuer zog sich das Trikot vom Oberkörper und trottete untröstlich über den Rasen, als um ihn herum im legendären Bernabéu ein Riesenjubel ausbrach. Der Nationaltorhüter hatte den FC Bayern München zunächst mit einer überragenden Leistung auf das große deutsche Wembley-Revival gegen Borussia Dortmund hoffen lassen. Doch sein schwerer Patzer in der Schlussphase leitete das dramatische Halbfinal-Aus in der Champions League durch ein 1:2 (0:0) bei Real Madrid ein.

25 Jahre nach der denkwürdigen 1:2-Finalniederlage gegen Manchester United haben die Bayern wieder ein Champions-League-Drama erlebt. «Das kann manchmal passieren, das ist auch Fußball», sagte Abwehrspieler Matthijs de Ligt bei DAZN ohne Vorwurf an seinen Kapitän: «Ich denke, dass wir über 90 Minuten ein gutes Spiel gemacht haben, sehr erwachsen und kompakt.» Am Ende sei es «natürlich schade, wenn man das Spiel gegen Real Madrid so weggibt».

Bayern hadern mit dem Schiedsrichter

De Ligt regte vor allem auf, dass sein Ausgleichstreffer (90.+13) nicht gegeben wurde, weil der Schiedsrichter das Spiel wegen einer vermeintlichen Abseitsposition kurz zuvor abgepfiffen hatte: «Ich finde das unglaublich. Ich kann das nicht verstehen. Es ist nicht ganz klar, da musst du durchspielen lassen.»

Real-Joker Joselu wendete das Spiel mit zwei ganz späten Toren (88. Minute/90.+1). Ausgerechnet der bis dahin wie ein Titan haltende Kapitän Neuer hatte beim 1:1 schwer gepatzt, als er einen harmlosen Schuss von Vinícius Júnior nach vorn abprallen ließ. Das Hinspiel war 2:2 ausgegangen.

Alphonso Davies wurde so mit seinem 1:0 in der 68. Minute nicht zum Münchner Torhelden. Das Königsklassen-Finale am 1. Juni in London bestreiten nun Rekordsieger Real Madrid und Herausforderer Dortmund. Erstmals seit 2012 beenden die Bayern eine Saison ohne Titel. Und Trainer Thomas Tuchel bleibt ein triumphaler Abschied aus München verwehrt.

Glück hatten die Bayern vor den beiden Gegentreffern gehabt, als das vermeintliche Ausgleichstor vor über 76.000 Zuschauern in der 72. Minute nach Videobeweis richtigerweise aberkannt wurde. Reals Kapitän Nacho hatte zuvor Joshua Kimmich mit beiden Händen ins Gesicht gefasst und den Bayern-Profi zu Fall gebracht.

Elektrisierende Stimmung vor dem Anpfiff

Im für viel Geld umgebauten Estadio Santiago Bernabéu, in dem auch Bayerns Ex-Vorstandsboss Oliver Kahn mit einem Becher Bier Platz genommen hatte, war schon vor dem Anpfiff eine knisternde Atmosphäre zu spüren. «Ich fühle mich sehr lebendig. Das sind die Momente und Tage, für die man träumt», sagte Tuchel kurz vor der Partie lächelnd bei DAZN: «Perfekter Tag, perfekter Rahmen, schwieriger geht’s nicht. Deshalb sind wir gefordert.»

Trotz der beeindruckenden Kulisse und der enormen Bedeutung des Highlight-Spiels stellte Tuchel Youngster Aleksandar Pavlovic anstelle des erfahrenen Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld auf. Der 20-Jährige zeigte zunächst kein Lampenfieber und leitete die erste Bayern-Chance ein, bei der Gnabry im Strafraum aber zu ungenau auf Harry Kane passte (8.).

Gnabry hatte vor Thomas Müller den Vorzug erhalten, doch nach nicht einmal einer halben Stunde musste der Nationalspieler wie schon im Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Arsenal vorzeitig verletzt raus. Aber nicht Müller kam ins Spiel, sondern der schnellere Davies besetzte die linke Offensivbahn.

Die Gastgeber um den ballsicheren Toni Kroos hatten ein spielerisches Übergewicht. In der 13. Minute musste Neuer zweimal seine ganze Klasse zeigen, um einen frühen Rückstand der Münchner zu verhindern: Einen Schuss von Vinícius Júnior, dem Doppeltorschützen aus dem Hinspiel, lenkte der Nationalkeeper mit den Fingerspitzen an den Pfosten. Auch den Nachschuss von Rodrygo parierte Neuer. Fünf Minuten vor der Halbzeit rettete Neuer mit einer weiteren Großtat erneut gegen Vinícius.

Real präsenter

Auch wenn die Münchner zu sporadischen Chancen wie der von Kane nach einer schönen Volley-Direktabnahme (28.) kamen, wirkte Madrid deutlich präsenter und zielstrebiger.

Auch in den zweiten Durchgang startete der spanische Meister mit mehr Schwung und Power. Vor allem Vinícius lief heiß, der Brasilianer sorgte mit seinem Tempo und seinen Dribblings über Reals linke Angriffsseite für viel Gefahr – so wie bei seiner Vorarbeit zur Großchance von Rodrygo (55.). Nach einer Stunde prüfte Vinícius erneut Neuer – und wieder war der deutsche Torhüter der Sieger.

In die Drangphase der Hausherren sorgte Davies überraschend für die Münchner Führung. Unmittelbar danach wurde Kroos, der sein 20. Halbfinalspiel in der Königsklasse bestritt, für Luka Modric ausgewechselt. Nach dem zurückgenommenen Ausgleich erhöhte Real nochmal den Druck, die Bayern verteidigten in den Schlussminuten mit einer Fünferkette. Doch gegen Joselu fanden sie kein Mittel.

Klaus Bergmann und Jörg Soldwisch, dpa
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