Neuer Trainer in Leipzig: Der US-Amerikaner Jesse Marsch. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

Julian Nagelsmann wirkte manchmal bei RB Leipzig wie ein Patron. Er schützte Spieler wie Angeliño nach einem missglückten Tweet, stellte sich vor den glücklosen Stürmer Alexander Sörloth – und hatte praktisch immer für alles eine Antwort parat. Das kam intern gut an.

Bei seinem Nachfolger Jesse Marsch ist es kaum anders, dennoch kommt nach der vorzeitig beendeten Ära Nagelsmann plötzlich ein neues Wir-Gefühl auf. Die Betonung auf das Miteinander ist vor dem Wiedersehen mit Nagelsmann im Top-Spiel gegen den FC Bayern München am Samstag (18.30 Uhr/Sky) an allen Ecken und Ebenen spürbar.

Leipzigs neuer Abwehrchef Willi Orban bringt die Vorzüge des neuen Cheftrainers auf den Punkt. Es habe noch keinen Trainer gegeben, der so viel Nähe zugelassen habe, sagte Orban. Sätze wie «Jungs, eure Probleme sind meine Probleme» gäben ein unglaublich gutes Gefühl, «für so einen Trainer geht man durchs Feuer», betonte der ungarische Nationalspieler im Portal «Sportbuzzer». US-Spieler Tyler Adams meinte: Die Art und Weise, wie sie trainieren, ist taktisch etwas anders.» Aber Marsch bringe «jede Menge neue Ideen und Energie mit».

Positive Energie

«Jesse Marsch versprüht viel positive Energie, lebt den Teamgedanken vor, nimmt alle mit und tut sehr viel dafür, dass sich unser Wir-Gefühl noch weiter stärkt», sagte RB-Vorstandschef Oliver Mintzlaff der «Sport Bild». Die positive Energie des 47-jährigen US-Amerikaners Marsch strahlt über den kompletten Trainingsplatz. «Super» scheint dabei das Lieblingswort zu sein.

Nagelsmann setzte zu Beginn seiner Tätigkeit in Leipzig – nun auch beim FC Bayern – auf taktische Problemlösungen. Er will somit seine Spieler im Mitdenken auf ein neues Level heben. Zudem schwärmt er vom Tiki-Taka-Spiel à la Pep Guardiola, mit dem er sich per Handy regelmäßig austauscht. Da schickt Nagelsmann schon mal komplette Spielszenen in Richtung des ehemaligen Bayern-Trainers.

RB-Routinier Kevin Kampl lobte Nagelsmann in höchsten Tönen, sprach von einem «sehr besonderen, außergewöhnlich guten Trainer» und ist sich sicher: «Er wird bei Bayern top erfolgreich sein.» Seinen neuen Cheftrainer kennt der Slowene noch aus der Ära Ralf Rangnick: «Er ist ein super Typ, hat sich in Salzburg klasse entwickelt, eine top Ansprache, einen guten Draht zu allen, motiviert, nimmt jeden mit.» Dafür verlange Marsch nur eines vom Team: «Mitmarschieren».

Kein Kontakt zu Nagelsmann

Marsch, der bei seinem Start in Leipzig keinen Kontakt zu Nagelsmann hatte, wolle die Vorzüge der Vorarbeit von Nagelsmann und Rangnick mit seinen Ansätzen in eine neue RB-DNA vereinen. Der ehemalige Co-Trainer von Rangnick bei RB arbeite in «Richtung Vergangenheit» mit intensiver Spielweise und vertikaler Tiefe. «Aber wir können auch mit dem Ball umgehen», betonte er angesichts des Tempos, der Energie und des schnellen Umschaltspiels nach hohem Pressing. Er wisse, dass er enormes Potenzial in der Mannschaft habe und «vielleicht qualitativ den breitesten Kader der Liga».

Das Spitzenspiel gegen den Rekordmeister kommt eigentlich zu früh. Denn bei seinem Amtsantritt hatte Marsch ein klares Ziel formuliert. «Letztes Jahr hatten wir viel Erfolg gegen Gegner, die wir besiegen müssen. Nun stellt sich gegen Top-Top-Gegner immer die Frage, gehen wir ‚over the hill‘ – machen wir den nächsten großen Schritt gegen Dortmund und Bayern?», meinte er auch mit Blick auf Gipfelstürmer Nagelsmann. «Da müssen wir unser bestes Spiel spielen», verlangte er.

Kampl verspricht dennoch ein «absolutes Top-Spiel. Dann kommt dazu, dass wir unseren alten Trainer auch ärgern wollen, ihm die Punkte abnehmen wollen». Allerdings befürchtet der RB-Routinier auch einen unschönen Empfang für Nagelsmann, Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer. «Ich weiß nicht, wie die Fans reagieren werden. Sabi und Dayo waren extrem lange hier, haben sehr, sehr viel für den Verein getan, haben den Verein mit hochgebracht. Auch Julian hat die letzten zwei Jahre Wahnsinnsarbeit mit seinem Trainer-Team hier geleistet. Sie haben uns extrem weiterentwickelt. Ich hoffe natürlich, dass man sie nicht auspfeift oder so.»

Von Frank Kastner, dpa
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