Pernille Harder (l) und Magdalena Eriksson vom FC Bayern beim Interview. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Lukas Barth/dpa)

Die Weltklassefußballerinnen Pernille Harder (31) und Magdalena Eriksson (30) spielen seit diesem Sommer für den FC Bayern München. Gemeinsam. Das war für das dänisch-schwedische Paar auch privat sehr wichtig.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sprechen Harder, Stürmerin und gerade wiedergenesen, und Eriksson, Verteidigerin und aktuell verletzt, über Kommunikation in einer Fernbeziehung, Tetris beim Abfallentsorgen und zwei Küsse, die Geschichte geschrieben haben.

Frau Eriksson, Frau Harder, Sie haben sich vor zehn Jahren bei Linköpings FC in Schweden kennengelernt. Wie war Ihr erster Eindruck voneinander?

Eriksson: Ich fand Pernille erstmal als Fußballspielerin toll. Sie hat mich wirklich beeindruckt, sie war für mich next level. Ich hatte zuvor noch nicht mit einer so guten Spielerin wie ihr zusammengespielt. Ich war außerdem überrascht, wie bescheiden sie war, obwohl sie so viel Talent hatte. Und ein netter Mensch ist sie auch noch (lacht). Wir wurden gute Freunde und hatten dann einen gemeinsamen Freundeskreis, der viel zusammen unternommen hat.

Harder: Wir interessieren uns beide sehr für Mathematik und haben dann gemeinsam einen Mathe-Kurs belegt. Dabei haben wir uns noch besser kennengelernt. Nach ein paar Monaten wurden wir dann ein Paar.

Sie hatten einige Jahre lang eine Fernbeziehung. Wie schwierig war das für Sie als Paar?

Harder: Es war schwierig. Man muss wirklich hart dafür arbeiten, damit es funktioniert. Aber auch die Zeit, die wir getrennt waren, war gut für unsere Beziehung. Wir haben uns zum Glück in die gleiche Richtung weiterentwickelt. Da wir dreieinhalb Jahre getrennt gelebt haben und immer noch zusammen sind, zeigt das, dass unsere Beziehung richtig tief und belastbar ist. Wir hatten beide das Gefühl: Diese Beziehung ist es wert, dafür zu kämpfen, auch wenn wir uns oft nur einmal im Monat gesehen haben. Magda ist früher oft für eineinhalb Tage extra von London nach Wolfsburg geflogen.

Eriksson: Man lernt viel über Kommunikation, wenn man eine Fernbeziehung führt, denn das ist der Schlüssel. Wenn man nicht kommuniziert, dann hat man eigentlich nichts, weil man sich nicht sieht, sich physisch nicht nahe ist. Wir haben im Laufe der Jahre gelernt, dass wir besser werden mussten, miteinander zu reden und unsere Gefühle mit Worten auszudrücken. Das hat uns geholfen, in unsere Beziehung hineinzuwachsen. Wir kommunizieren jetzt viel besser als vor unserer Fernbeziehung. Wir sind auch in dieser Hinsicht viel stärker geworden.

Die Distanz ist beim FC Chelsea, wo sie von 2020 bis 2023 zusammenspielten, und nun auch beim FC Bayern München weggefallen. Mussten Sie sich erst daran gewöhnen, sich wieder so nah zu sein? 

Eriksson: Es ging wirklich von null auf 100 (lacht).

Harder: Die Tatsache, dass wir zwei Jahre lang zusammengelebt haben, bevor ich 2017 nach Wolfsburg ging, hat dazu geführt, dass wir wussten, wie unsere Routinen sind.

Eriksson: Wir mussten eher praktische Dinge klären: Wer macht den Abwasch, wer kümmert sich um die Wäsche?

Harder: Und wer bringt den Müll raus… (lacht)

Eriksson: In einer Beziehung denkt ein Partner ja immer, dass er bei der Hausarbeit mehr macht als der andere. 

Wie teilen Sie das auf?

Eriksson: In England habe ich den Abwasch gemacht und Pernille hat den Müll rausgebracht. Jetzt ist es ausgeglichener. Es gab aber einen Punkt, an dem ich dachte, sie würde mit dem Müll Tetris spielen, so sehr hat sie versucht, Abfall im Mülleimer aufeinander zu balancieren, nur um ihn nicht gleich rausbringen zu müssen (lacht).

Harder: Es ist schon komisch, wie man beim Abwasch unterschiedlicher Meinung sein kann, ob etwas schon sauber ist oder immer noch nicht (lacht). Wir sind da jetzt aber gleicher Meinung. Abgesehen davon war es ganz natürlich, wieder in einen gemeinsamen Rhythmus zu kommen. 

Können Sie sich vorstellen, sich nochmal für einen Vereinswechsel beruflich zu trennen?

Harder: Mir gefällt es hier sehr gut. Der FC Bayern ist ein toller Club, München ist eine tolle Stadt. Ich genieße es, auch wenn ich jetzt zwei Monate verletzt war. Wir haben einen Vertrag für die nächsten drei Jahre, und ich kann mir gut vorstellen, länger hier zu bleiben.

Eriksson: Es ist das erste Mal, dass wir gemeinsam zu einem neuen Club gewechselt sind. Es ist wirklich schön, die Sicherheit zu haben, Pernille bei mir zu haben. Fußball kann ziemlich einsam sein, wenn man von seiner Familie und vielleicht auch von seinem Partner getrennt ist. Mit ihr hier ein neues Abenteuer begonnen zu haben, ist inspirierend und cool. Wie Pernille könnte ich mir kein besseres Umfeld wünschen. 

2019 während der Fußball-WM haben Sie sich nach dem Sieg von Erikssons Schwedinnen gegen Kanada im Stadion geküsst. Es war zwar nur ein Kuss, aber das Foto von diesem öffentlichen Kuss sorgte weltweit für Aufsehen. 

Harder: Ich habe zuerst gar nicht gemerkt, dass das Foto für so einen Wow-Effekt gesorgt hat, weil ich einfach bei der Weltmeisterschaft war, um Magda zu unterstützen. Es war auch nicht unser erster öffentlicher Kuss nach einem Spiel, wir hatten uns schon zuvor ein paar Mal geküsst (lacht). Das Foto hat dann in den Sozialen Medien schnell für riesige Aufmerksamkeit gesorgt, wurde populär und hat viele positive Kommentare nach sich gezogen. Für mich war interessant zu sehen, wie sehr dieses Bild von der Gesellschaft offenbar gebraucht wurde.

Eriksson: Uns hat überrascht, wie notwendig solch ein Foto offenbar für den Fußball war. Wir haben zuvor auch irgendwie in unserer eigenen Blase gelebt und sind schon lange offen mit unserer Beziehung umgegangen. Wir haben aber nach diesem besonderen Moment gemerkt, wie wichtig es ist, sichtbar zu sein, Dinge zu tun, die für uns selbstverständlich sind und stolz darauf zu sein. Ich glaube, der beste Weg, um anderen ein Vorbild zu sein, ist es, sich auszudrücken und man selbst zu sein. Genau das haben wir getan. Ich bin froh und stolz, dass das Foto von unserem Kuss so ein großes Thema geworden ist, denn es war offensichtlich etwas, das der Fußball wirklich gebraucht hat.

Hatten Sie als Teenagerinnen Vorbilder, an denen Sie sich orientieren konnten, die Ihnen das Gefühl vermittelten, Ihre Sexualität sei vollkommen in Ordnung, so wie sie ist?

Eriksson: Meine ältere Schwester Amanda war immer sehr wichtig für mich. Sie hat mich ermutigt, mich so wohl zu fühlen, wie ich bin, und nicht daran zu denken, was andere über mich denken könnten. Als ich aufwuchs, war sie immer diese beruhigende Stimme, die sagte: ‚Du bist gut, so wie du bist. Sei ganz du selbst.‘ Ich habe mich schon mit 16 geoutet, meine Schwester war da in den ersten Jahren sehr wichtig für mich, damit ich mich nicht wie eine Außenseiterin fühlte.

Harder: Meine Eltern, Annie und Mogens, haben mich immer wissen lassen, dass es egal ist, wen ich liebe oder wen ich mit nach Hause bringe. Sie sind glücklich, solange ich glücklich bin. Ich weiß nicht, ob sie erwartet haben, dass ich einmal ein Mädchen mit nach Hause bringe (lacht), aber sie haben mir immer das Gefühl gegeben: Ich kann so sein, wie ich bin. Darin habe ich wirklich Glück gehabt.

Wie weit ist der Fußball bei Frauen und Männern in Sachen Vielfalt und Inklusion Ihrer Ansicht nach heute?

Eriksson: Der Frauenfußball war für mich immer ein sicherer Raum und ein Ort, an dem ich ich selbst sein kann. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich einen Teil meiner Sexualität oder von mir selbst verstecken musste. Auch von Fans wurde ich noch nie aufgrund meiner Sexualität diskriminiert.

Harder: Das gilt auch für mich. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich verstecken muss, ich kann im Fußball immer ich selbst sein.

Eriksson: Es gibt immer mehr Spielerinnen und Spieler, die ihre Plattformen nutzen und sich auch zu gesellschaftlichen Themen äußern. Wir haben aber dennoch viel Arbeit vor uns. Wir müssen weiter diesen sicheren Raum schaffen, damit auch der Männerfußball noch vielfältiger wird, auch was sexuelle Orientierung angeht.

Harder: Die nachkommende Generation wächst in einem Umfeld zunehmender Akzeptanz auf, sie ist dadurch offener. Daher hoffe ich, dass sich auch der Männerfußball als traditioneller Sport weiter entwickeln kann. Es wird aber leider auch in den nächsten zehn oder 20 Jahren vermutlich noch Menschen geben, die nicht glücklich darüber sind, wenn ein schwuler Mann Fußball spielt.

Ist der Austausch mit jüngeren Menschen bei solchen Themen leichter?

Harder: Ich denke, wenn man jünger ist, ist der eigene Wertekompass noch nicht ganz festgelegt, so dass man die Möglichkeit hat, Impulse zu geben, was für eine offene Gesellschaft wertvoll sein kann und was nicht. Ältere Generationen hingegen haben ihre Werte und ihre Meinungen zu bestimmten Dingen oft eher bereits festgelegt. Dann fällt es schwerer, die Einstellung noch zu ändern.

Finden Sie es seltsam, dass im Frauenfußball sexuelle Offenheit ganz normal ist, im Männerfußball hingegen nicht?

Eriksson: Der Frauenfußball ist eine viel jüngere Sportart. Im traditionellen Männerfußball hat sich in mehr als 100 Jahren viel verfestigt. Der Frauenfußball ist daher stärker von modernen Ansichten geprägt. Ich hoffe, dass je stärker der Frauenfußball wächst, desto mehr kann der Männerfußball in bestimmten Aspekten auch von ihm lernen.

Bei der WM 2019 gab es Ihr berühmtes Foto. 2023 bei der WM gab es ein konträres Foto, als der mittlerweile zurückgetretene spanische Verbandschef Luis Rubiales Nationalspielerin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung auf den Mund küsste. Hermoso sah den Kuss als Gewalthandlung, Rubiales, der sich auch vor Gericht verantworten muss, spricht von gegenseitigem Einvernehmen. Wie denken Sie darüber?

Eriksson: Es sind die beiden Enden eines Spektrums. Ich versuche immer, die Dinge positiv zu sehen, selbst bei einer solchen Situation. Für die spanische Nationalmannschaft hat sich seitdem tatsächlich etwas zum Positiven verändert. Sie haben vor fast einem Jahr einen Kampf gegen ihren Verband begonnen, in dem sie eine Veränderung der Kultur hin zu mehr Sicherheit und Respekt bewirken wollten. Das haben sie jetzt geschafft. Ich weiß nicht, ob das ohne diesen Übergriff gelungen wäre.

Harder: Dass die Veränderung stattgefunden hat, zeigt, wie weit wir in der Gesellschaft gekommen sind, wie wir uns in die richtige Richtung bewegen. Wir unternehmen etwas, wenn etwas Inakzeptables passiert. Die spanischen Spielerinnen haben für ihr Anliegen, das weltweit wahrgenommen wurde, gekämpft und eine Veränderung bewirkt.

Eriksson: So ein Kuss wie bei der WM in diesem Jahr wäre vor zehn Jahren vielleicht gar keine große Sache geworden, weil die Zeiten damals andere waren und die Mannschaft vielleicht nicht das Gefühl gehabt hätte, in der Position zu sein, so eine abstoßende Handlung offen anzusprechen und sie zu kritisieren. Dieser Kuss hat sich in dem Moment vielleicht wie ein großer Rückschritt für den Frauenfußball angefühlt, aber alles, was danach passiert ist, zeigt, dass wir immer selbstbewusster werden und uns wirklich Gehör verschaffen können, wenn wir es wollen.

Martin Moravec, dpa
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