Uruguays Spieler sind mit einer Entscheidung von Schiedsrichter Daniel Siebert (r) nicht einverstanden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ashley Landis/AP/dpa)

Regel technisch alles richtig gemacht und doch kein WM-Spiel mehr? So könnte es laufen für den einzigen deutschen WM-Schiedsrichter in Katar nach dessen viel diskutiertem Auftritt am Freitagabend.

Der Berliner Daniel Siebert wurde in Al-Wakra nach dem heiklen Duell Uruguay gegen Ghana zum Ziel der Wut der Südamerikaner, obwohl die Celeste 2:0 gewann. Am Ende war dies aber zu wenig: Uruguay fehlte ein Tor zum Weiterkommen und Siebert hatte Luis Suárez und Co. gleich in drei Szenen einen möglichen Elfmeter verweigert. Als einer der ganz wenigen nahm der deutsche Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich den 38-Jährigen in Schutz.

«Daniel Siebert hat die schwierige Aufgabe gestern sehr gut gemeistert. Er hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Spieler bei allen wichtigen Entscheidungen mitzunehmen und war kommunikativ sehr gefordert», sagte Fröhlich der Deutschen Presse-Agentur. Für das südamerikanische Gemüt war Sieberts Auftritt dagegen zu viel gewesen.

Uruguays Spieler pöbelten, bedrängten Siebert und seine Assistenten, es gab einen Ellbogencheck gegen einen FIFA-Offiziellen und einen umgeworfenen Videobildschirm am Spielfeldrand. «Daniel Siebert hat für seine Spielleitung und das was er nach Schlusspfiff aushalten musste größten Respekt verdient. Wo war der Schutz für ihn und traurig dass er geschützt werden musste», twitterte Sieberts deutscher Schiedsrichter-Kollege Patrick Ittrich. In der Tat waren Siebert und sein Team den uruguayischen Tiraden nahezu schutzlos ausgeliefert. Obwohl unter anderem Ersatztorwart Fernando Muslera fast handgreiflich wurde und Jose Maria Giménez einem FIFA-Offiziellen den Ellbogen in den Nacken rammte, verteilte Siebert nur noch zwei Gelbe Karten.

Die Aufgabe für Siebert war undankbar. Die Partie war schon wegen des hitzigen WM-Viertelfinals vor zwölf Jahren, in dem Suárez seinerzeit Rot gesehen hatte, emotional aufgeladen gewesen. Wie 2010 in Johannesburg bekam Ghana auch diesmal einen Elfmeter zugesprochen. Und wie 2010 in Johannesburg wurde dieser verschossen. Uruguay aber erhielt keinen Strafstoß, obwohl Siebert gleich dreimal auf den Punkt hätte zeigen können.

Vorwurf des fehlenden Fingerspitzengefühls

Auslöser der wilden Proteste war eine Szene kurz vor dem Ende des Spiels, als Edinson Cavani allzu bereitwillig sein Bein in den Laufweg von Alidu Seidu stellte und prompt im Strafraum umgerannt worden war. Siebert bewertete die strittige Szene als nicht ausreichend für einen Elfmeter. «Das ist in den TV-Bildern für mich eine nachvollziehbare Bewertung und auch richtige Entscheidung», lobte Fröhlich.

Auch Ittrich sah das so. «Ps:Cavani stellt das Bein raus und will den Strafstoß. Ermessen und gut den nicht zu geben», twitterte er. Der frühere FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe indes sah eine Parallele zum Strafstoß für Ghana, als Mohammed Kudus ebenfalls bewusst den Kontakt gesucht hatte. «Das (Haupt) Problem von Schiedsrichtern sind nicht nur einzelne Entscheidungen, sondern ungleiche Bewertungen von Szenen+umso mehr noch im gleichen Spiel», schrieb der 49-Jährige auf Twitter. Ein weiterer Ex-Referee warf Siebert zudem noch fehlendes Fingerspitzengefühl vor.

«Ich spreche jetzt mal aus dem Nähkästchen: Das ist ein Geschenk für den Schiedsrichter. Wenn du den Elfmeter vorher nicht gepfiffen hast, der mehr als ein halber war, und dann wieder ein halber, dann gibst du ihn, es geht 3:0 aus, kein Mensch will was von dir. Und du bleibst selbst im Turnier», sagte Babak Rafati dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was Rafati mit der Szene zuvor meinte, war ein mindestens unglückliches Auftreten Sieberts in der 57. Minute. Siebert pfiff da ein Elfmeter-würdiges Einsteigen von Daniel Amartey gegen Darwin Núñez nicht und wurde daraufhin von seinem Videoschiedsrichter Bastian Dankert zu jenem Bildschirm gerufen, den Cavani später wutentbrannt umschmiss. Zur Verwunderung vieler blieb Siebert aber bei seiner Entscheidung – «und signalisiert, dass der Ball gespielt wurde. Dabei wurde der nur minimal gestreift», sagte Rafati.

Siebert könnte Brych in unrühmlicher Weise folgen

Erstaunlicherweise kam Gräfe hier zu einem anderen Urteil: «Ohne wirkliches Foulspiel ging der Uru nach normalen Körperkontakt selbst runter.» Die Unstimmigkeiten beider Ex-Referees in dieser Frage machen deutlich, dass es sich auch hier um einen Kann-Elfmeter handelte, den Siebert eben nach eigener Wahrnehmung bewertete. Streng genommen ist ihm also kein Fehler vorzuwerfen und trotzdem könnte ihm das nun zum Verhängnis werden. «Eine sonst richtig gute Leistung in einem sehr schwierigen Spiel wird dadurch leider dazu führen, dass er kein weiteres Spiel mehr als SR erhalten wird», so Gräfe.

Sollte es so kommen, würde Siebert in unrühmlicher Weise auf Felix Brych folgen, der 2018 in Russland Serbien im Vorrundenspiel gegen die Schweiz einen Elfmeter verweigert hatte und danach nicht mehr zum Einsatz kam. Auch die spanische Sportzeitung «Marca» urteilte über Siebert: «Alles deutet darauf hin, dass er sein Rückfahrticket von dieser WM unterschrieben hat».

Carsten Lappe, Christian Kunz und Tom Bachmann, dpa
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