Zeichen gegen Gewalt: Polizei verhaftet Randalierer
Französische Sicherheitskräfte gehen gegen Fans auf der Tribüne vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: dpa/Archivbild)

Die Beamten schlugen im Morgengrauen zu. In einer groß angelegten Aktion hat die Polizei Haftbefehle gegen fünf mutmaßliche Tatbeteiligte an den Fan-Krawallen beim Europacupspiel des 1. FC Köln bei OGC Nizza vollstreckt.

Bei der Aktion durchsuchten mehrere hundert Ermittler mit Unterstützung der Bereitschaftspolizei die Wohnungen und Häuser von insgesamt 16 identifizierten Tatverdächtigen in Köln, Hürth, Pulheim und Bergisch Gladbach.

Er sei froh, «dass Polizei und Staatsanwaltschaft konsequent ermittelt haben und in kurzer Zeit mehrere Gewalttäter identifizieren und festnehmen konnten», sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul. Die Bilder von den Ausschreitungen am 8. September, bei denen es viele Verletzte gab, seien entsetzlich gewesen. «Offenbar haben diese Leute nur eines im Sinn: Randale, Krawall und Gewalt. Mit Fußball oder Fan-Kultur hat das nichts zu tun», sagte der CDU-Politiker.

Mertens: «Grenzüberschreitungen nehmen zu»

Das energische Vorgehen der Behörden bezog sich zwar direkt auf die Krawalle beim Conference-League-Spiel des Kölner Bundesligisten in Nizza, darf aber auch als deutliches Zeichen in der Debatte um die generell zunehmende Gewalt im Fußball gewertet werden. Experten beobachten in der aktiven Fanszene der Vereine seit längerer Zeit eine erhöhte Bereitschaft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und befürchten eine weitere Eskalation.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, warnte jüngst im «Kölner Stadt-Anzeiger» vor dramatischen Konsequenzen dieser Entwicklung. «Die Grenzüberschreitungen nehmen zu, die Vereine ziehen sich zurück und tun kaum etwas gegen gewaltbereite Fans. Wenn sich nicht bald etwas ändert, dann könnte es Tote geben.»

Ähnliche Ängste äußerte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann nach den Krawallen beim Champions-League-Spiel der Hessen bei Olympique Marseille, bei denen sich Fans beider Teams gegenseitig mit Pyrotechnik beschossen hatten. Dabei war ein Eintracht-Anhänger von einer Rakete am Hals getroffen und schwer verletzt worden.

Gabriel beobachtet «Zunahme von Exzessen»

«Die Frage ist: Wo ist die Grenze und wann es eine Umkehr gibt. Muss es erst einen Toten geben, damit man die Dinge anders bewertet?», sagte Hellmann unlängst auf der Mitgliederversammlung des Vereins und mahnte: «Wenn die Zukunft im Profifußball die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf den Straßen, im Stadion und in den Blöcken und das wechselseitige Beschießen von Menschen mit Pyrotechnik sind, dann sind wir auf einem absurden Irrweg.»

Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte (KOS) in Frankfurt, beobachtet die Zunahme von Exzessen ebenfalls mit großer Sorge. Die Dimension der Vorfälle in Nizza und Marseille sei zwar ungewöhnlich gewesen, aber: «Wir haben den Eindruck, dass gewalttätiges Verhalten häufiger passiert.» Wie zuletzt am vergangenen Wochenende, als Fans des Drittligisten Dynamo Dresden in Bayreuth randalierten und 14 Polizisten verletzten.

Überraschend kommt die Entwicklung für Gabriel nicht. «Die erzwungene Enthaltsamkeit während der Corona-Pandemie hat bei vielen Fans eine Art Überschuss produziert, der jetzt sichtbar wird, wie wir beim deutlich häufigeren Gebrauch von Pyrotechnik beobachten können», sagte er jüngst in einem Interview der Zeitungen der Verlagsgruppe RheinMain.

Hellmann appeliert an die Frankfurter Fangruppen

Beim Thema Gewalt komme nach Ansicht von Gabriel noch ein Aspekt hinzu, der schon vor Corona eine Rolle gespielt habe: «In Teilen der Fanszene hat das Thema Kampfsport an Bedeutung gewonnen, es werden Kampfsporttechniken trainiert und angewendet.» Auch er sieht die Vereine in der Pflicht, «Grenzen zu setzen sowie transparent und fair zu sanktionieren».

Eintracht-Vorstand Hellmann schickte nach den Ereignissen von Marseille schon mal eine Warnung an die Frankfurter Fangruppen: Wenn es nicht gelinge, sich von der Gewalt und entsprechenden Personen aus eigener Kraft zu lösen, «wird es von uns geregelt». Soll heißen: Künftig könnte es nur noch personalisierte Tickets geben und die An- und Abreise zentral geregelt werden. «Das ist nicht die Fankultur, von der ich glaube, dass sie Spaß und Freude macht», sagte Hellmann.

Zugleich warb der 50-Jährige dafür, die Fanszene nicht unter Generalverdacht zu stellen. «Zur ganzen Wahrheit gehört auch, wie Fans bei Auswärtsspielen in der Liga und international behandelt werden. Kleidungsvorschriften, Betretungsverbote in den Städten, Gesangsverbote, das Pferchen in Busse, Ordner, die sich an Frauen vergreifen, Fans, die über Stunden ohne Getränke in der Hitze dehydrieren, Polizisten, die Unbeteiligte mit Schlagstöcken malträtieren, Fans, die von Spezialeinheiten wie Schwerverbrecher behandelt werden», zählte Hellmann auf und betonte: «Es ist völlig weltfremd zu glauben, dass sich Fußballfans, die den ganzen Tag schlecht behandelt werden, nicht zur Wehr setzen.»

Eric Dobias und Petra Albers, dpa
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