Auf dieses Wiedersehen im Stadion freut sich Julian Nagelsmann gleich aus doppeltem Grund. Das war schon zwei Tage vor dem Anpfiff zu spüren.
«Klar, es ist immer spannend, gegen einen Ex-Club zu spielen», sagte der Trainer des FC Bayern zum Topspiel gegen RB Leipzig, mit dem der Tabellenführer am Samstagabend vor wieder erlaubten 10.000 Zuschauern in der Allianz Arena nach zwei Wochen Bundesligapause die Jagd nach Meistertitel Nummer zehn am Stück fortsetzt. «Ich erwarte ein gutes Spiel», sagte Nagelsmann.
Das Wiedersehen hat aber noch eine weitere persönliche Note für den 34-Jährigen. Denn sein Kontrahent in der Coaching Zone und inzwischen sein Nach-Nachfolger bei den Sachsen ist im Gegensatz zum klaren Münchner 4:1 in der Hinrunde Domenico Tedesco. Und mit dem inzwischen 36 Jahre alten Trainerkollegen absolvierte Nagelsmann 2015/16 gemeinsam den Fußballleher-Lehrgang. Da beide damals bei der TSG 1899 Hoffenheim beschäftigt waren, bildeten sie eine Fahrgemeinschaft.
Nagelsmann und Tedesco kennen sich bestens
Laut Nagelsmann ging es bei den gemeinsamen Stunden im Auto aber nicht nur um Taktik und den Lehrgang. «Mit Domenico kannst du nicht nur über Fußball sprechen», berichtete Nagelsmann, der auch die Anekdote verriet, warum er im Unterrichtsraum in Hennef ganz vorne in Reihe eins sitzen musste und Tedesco ganz hinten einen Platz fand. Er sei schlicht zu spät in den Raum gegangen. Er wollte sich damals nicht vordrängen. Primus des Lehrgangs war am Ende übrigens Tedesco mit der Note 1,0, Nagelsmann kam «nur» auf eine 1,3. Der Sitzplatz halt, scherzte Nagelsmann. Vorne fiel er weit mehr auf.
Beide Trainer kennen sich also bestens, menschlich und fußballerisch. Nagelsmann hat festgestellt, dass die Leipziger unter Tedesco wieder strukturierter auftreten. «Und er wird noch mehr rauskitzeln.»
Die Kenntnis des jeweils anderen könnte also eine wichtige Rolle spielen beim Kräftemessen ihrer Teams. «Wir kennen uns gut», sagte Nagelsmann. «Der Fußballlehrer liegt schon ein paar Jährchen zurück. In der Zwischenzeit ist extrem viel passiert, bei Jule und bei mir», bemerkte Tedesco. Es ist auch nicht ihr erstes Bundesliga-Duell.
Nagelsmann: «Nicht die zwei Hanseln entscheidend»
«Das eine ist, den gegnerischen Trainer zu kennen und zu wissen, wie er spielen will mit und gegen den Ball. Grundsätzlich spielt aber Bayern gegen Leipzig und nicht Nagelsmann gegen Tedesco», bemerkte Tedesco. Nagelsmann äußerte sich ähnlich, wenn auch etwas flapsiger im Ton: «Am Ende sind nicht die zwei Hanseln entscheidend, die da draußen am Spielfeldrand rumfuchteln, sondern wer die besseren Spieler mit der besseren Tagesform, der größeren Lust und größeren Gier auf dem Platz hat.» Aber er freue sich aufs Wiedersehen, «dass Domenico in der Bundesliga ist und einen sehr coolen Club trainieren kann. Wir freuen uns, dass wir am Samstag nicht im Auto nebeneinander sitzen, aber in der Coaching Zone nebeneinander stehen.»
Für zwei Bayern-Profis ist es ebenfalls ein emotionales Spiel. Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer wechselten wie Nagelsmann im Sommer von RB zum FCB. Im Gesamtpaket flossen fast 80 Millionen Euro dafür nach Leipzig. Ob Nagelsmann Abwehrhüne Upamecano und Mittelfeldspieler Sabitzer aber ebenfalls Hauptrollen gegen ihren Ex-Club einnehmen lässt, ist offen. «In allen großen Clubs gibt es Konkurrenz», weiß Upamecano.
Im RB-Team hatte das Duo seine Plätze in der Startelf sicher, in München nicht. Am Samstag stehen die Chancen für Upamecano aber deutlich besser. «Upa hat eine gute Entwicklung genommen», sagte Nagelsmann über den 23-jährigen Franzosen. Er ist überzeugt, dass Upamecano seine «Entwicklungspotenziale» auf Sicht auschöpfen wird.
Und Sabitzer? Leipzigs ehemaliger Kapitän muss sich seinen Platz im Münchner Luxuskader noch erkämpfen. «Die Hinrunde ist nicht optimal gelaufen», urteilte Nagelsmann. Das lag auch an Verletzungen des 27 Jahre alten Österreichers, der zuletzt aber gut trainiert habe und sich im neuen Jahr «zu einer guten Kadergröße entwickelt».