Giulia Gwinn war besonders happy. Zum ersten Mal seit ihrer schweren Knieverletzung bei der Fußball-EM hielt die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft wieder ein komplettes Bundesliga-Spiel durch. Dass dieses 90-Minuten-Comeback auch noch mit dem 3:1 (1:0) des deutschen Meisters FC Bayern München beim Dauerrivalen VfL Wolfsburg zusammenfiel, fand sie «sehr schön. Ich bin froh, wieder zurück zu sein. Und ich freue mich auf alles, was kommt», sagte die 26-Jährige.

Die dreimonatige Verletzungspause seiner Kapitänin war zwar nicht das, was der Bundestrainer Christian Wück im Sinn hatte, als er vor diesem ewigen Topspiel die geringen Einsatzzeiten einiger Nationalspielerinnen beklagte. Aber Gwinns Genesung kommt in diesen wichtigen Wochen für den deutschen Frauenfußball wirklich jedem gelegen.

Bayern-Antwort auf das Debakel

An diesem Dienstag benennt Wück das deutsche Aufgebot für das Nations-League-Halbfinale am 24. und 28. Oktober gegen Frankreich. Zwei Tage später (Donnerstag, 21.00 Uhr/Disney+) spielen die Bayern in der Champions League gegen Juventus Turin. In diesem Wettbewerb ist gleich die nächste Antwort auf das 1:7-Debakel in der vergangenen Woche beim FC Barcelona gefragt. Die in Wolfsburg fiel schon einmal sehr überzeugend aus.

«Es war ein sehr, sehr großer Schlag ins Gesicht in Barcelona», sagte Gwinn. «Wir haben uns bewusst viel Zeit genommen, das ordentlich zu analysieren und uns auch sehr ehrlich in die Augen zu schauen, was wir ändern müssen, was anders sein muss. Und ich glaube, wir haben genau die Antwort gezeigt, die wir zeigen wollten: Dass wir eine andere Mentalität an den Tag legen, ein anderes Gesicht zeigen. Wir hatten, glaube ich, sehr viel Wut in uns.»

«Das ist Siegermentalität!»

Was die Verkörperung des «Mia san Mia»-Mantras angeht, werden die Frauen des FC Bayern den Männern immer ähnlicher. So etwas wie in Barcelona darf nicht passieren. Und wenn es doch passiert, darf es ein Bayern-Team wenigstens nicht aus der Spur bringen. «Es waren schwierige letzte Tage nach einer unerwarteten und nicht akzeptablen Leistung», sagte der neue Trainer José Barcala. «Heute haben meine Spielerinnen Charakter gezeigt. Das ist Siegermentalität!»

In der Konsequenz ist Wolfsburg gegen Bayern im Frauenfußball auch immer weniger ein Duell auf Augenhöhe, sondern zunehmend der verzweifelte Versuch des ehemaligen Serienmeisters VfL, den Anschluss nicht zu verlieren. Dreimal nacheinander holten die Münchnerinnen zuletzt den Titel. Von den vergangenen zehn Pflichtspielen gegen Wolfsburg gewannen sie sieben.

Gwinn kritisiert Fernsehen

Die Bayern hatten die bessere Spielanlage in der Volkswagen Arena. Sie trafen durch Klara Bühl (27. Minute), Momoko Tanikawa (57.) und Alara Sehitler (90.+5) auch immer in die besten Phasen des VfL hinein. Das wichtige 2:1 etwa fiel keine zehn Minuten nach dem überraschenden Wolfsburger Ausgleich (48.). Die Vorarbeit leistete: Giulia Gwinn.

Der Bayern-Star war hinterher auch die Einzige, die in aller Klarheit kritisierte, dass im frei empfangbaren Fernsehen das Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV übertragen wurde – und nicht Wolfsburg gegen Bayern. «Das ist seit Jahren der Klassiker im Frauenfußball», sagte Gwinn. «Da würde man sich natürlich wünschen, dass das auch die Bühne und die Plattform bekommt, um möglichst viele Menschen zu erreichen.»